Gastkommentar

Adieu, Herr Intendant! So männlich ist das Theater in Kärnten

Das Klagenfurter Stadttheater.
Das Klagenfurter Stadttheater. APA
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Im Jahr 2020 stehen die Uhren in Kärnten in Sachen Geschlechtergerechtigkeit still.

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Seit seiner Eröffnung vor 112 Jahren wird das Klagenfurter Stadttheater von Männern geleitet. Der aktuelle Intendant verabschiedet sich nun während seiner Amtszeit an ein Theater in der Schweiz, und auch der neue Intendant ist wieder ein Mann. In der abgelaufenen Ära wurde eine bedauerliche Erfolgsgeschichte sehr dezidiert fortgeschrieben: die des nahezu vollständigen Frauenausschlusses aus der Regieriege des Hauses.

In der kommenden Spielzeit 2020/21 sind zehn Premieren geplant. Mit der Regiearbeit werden in neun Fällen Männer betraut, eine einzige regieführende Frau vermag die auffällige Situation kaum zu schönen. Diese Arbeitsweise hat im Klagenfurter Stadttheater lange Tradition: In der Spielzeit 2017/18 waren mit den Regiearbeiten insgesamt acht Männer und zwei Frauen beauftragt, 2018/19 sieben Männer und drei Frauen und 2019/20 wurden zehn Männer und keine einzige Frau am Klagenfurter Stadttheater für die Regie engagiert.

Blickt man auf die Stoffe, die meist von Männern umgesetzt werden, zeigt sich ein noch krasseres Bild: Von zehn Stücken (in Theater und Oper) im Jahr 2020/21 stammen zehn von Männern. Und das in Kärnten, einem Bundesland das viele berühmte Autorinnen hervorgebracht hat: Ingeborg Bachmann, Lilian Faschinger, Maja  Haderlap, Christine Lavant, Lydia Mischkulnig. Stillschweigend wird nun auch die einzige Frau in Führungsposition, die scheidende Verwaltungsdirektorin, durch einen Mann ersetzt. Geschlechtergerechtigkeit sieht anders aus.

Das patriarchale Dogma herrscht in Kärnten in der Theaterszene ungebrochen weiter. Als Beleg dafür genügt der Blick auf die beiden nach dem Stadttheater am höchsten subventionierten beiden anderen Theater des Landes: Das Klagenfurter Ensemble feierte gerade seinen 40. Geburtstag – 40 Jahre männliche Intendanz, unter der, 40 Jahre lang vorwiegend Stücke von männlichen Autoren gespielt wurden, in Szene gesetzt von Männern als Regisseure.

Ein Faktencheck schafft auch hier traurige Gewissheit: Im Jahr 2019 gingen fünf Eigenproduktionen über die Bühne, beschäftigt wurden dafür fünf Regisseure und Autoren. Im Jahr davor (2018) fanden ebenfalls fünf Eigenproduktionen statt: wieder fünf Regisseure, eine Frau als Co-Regisseurin und fünf Autoren. Im Jahr 2017 das idente Bild. (fünf Regisseure /fünf Autoren).

Ein für kommenden Sommer angekündigtes „Pandemie-Festival“ umfasst sechs Produktionen: fünf Männer und eine Frau in Regieposition, die Texte? Alle von Männern.

Auch die neuebühnevillach hat seit Jahren einen Intendanten, in den letzten vier Jahren wurden dort 24 Männer und drei Frauen mit Inszenierungen betraut, unter den Autoren und Autorinnen war gerade einmal eine Frau und eine Co-Autorin.

Auch die großen Festivals sind fest in Männerhand: Carinthischer Sommer, Trigonale, Klagenfurt Festival, St. Pauler Musikwochen und die Musikwochen Millstatt, ebenso die aktuelle Landesausstellung CarinthiJa wird (wie alle Landesausstellungen bisher) von einem Kurator geleitet.

Kärnten, ein Land der Männer

Intendanten, Regisseure, Autoren und Komponisten. Im Jahr 2020 stehen die Uhren in Kärnten in Sachen Geschlechtergerechtigkeit still. Frauen sind gern gesehen als Kulturvermittlerinnen, in der zweiten Reihe, dort, wo die Gage klein und die Arbeit reichlich ist. Sie stehen „hinter“ dem eigentlichen Künstler, dem Intendanten, als „Stütze des Betriebs“, „rechte Hand des Chefs“ und „gute Seele des Hauses“. Oder die Kulturpreisverleihung des Landes Kärnten: Von 14 vergebenen Preisen gingen zwölf an Männer.

Überall dort, wo mehrheitlich Männer entscheiden, wird es keine Quantensprünge geben, hat Johanna Dohnal einmal gesagt.

Gender Mainstreaming und Gender Budgeting sind Instrumente, zu denen sich Österreich vor 20 Jahren per Ministerratsbeschluss bekannt hat, um Geschlechtergerechtigkeit herzustellen. Erhält ein Theater öffentliche Fördermittel, so muss es nachweisen, inwiefern für die Gleichstellung von Männern und Frauen Sorge getragen wird. Dieses Instrument scheint jedoch in Kärnten keine Wirkung zu zeitigen, denn wo kein Kläger, da kein Richter.

Der Mammutanteil jener Gelder, welche in die Kultur Kärntens fließen, kommt auf der Führungs- und Entscheidungsebene finanziell Männern zugute. Dort wo Geld ist, wohnt die Macht und werden Entscheidungen getroffen. Entscheidungen für oder gegen Frauen und die  Möglichkeit der künstlerischen Partizipation auf allen Ebenen.

Obwohl weit mehr als die Hälfte des Theaterpublikums weiblich ist, sind selbst die Geschichten, die im Theater erzählt werden, inhaltlich und ästhetisch von Männern dominiert. Das Narrativ des Patriarchats wird am Theater unhinterfragt hochgehalten und weitererzählt wie in kaum einer anderen Disziplin.

Die kleine Nation Österreich spielt weltweit im Kunstsektor in der Spitzenliga mit, international ist Kunst ohne Frauen undenkbar. Angesichts dieser virulenten Fehlentwicklung im Land Kärnten ist eine aktive Kulturpolitik gefordert: zugunsten einer offenen, modernen und geschlechtergerechten Theaterlandschaft der Zukunft.

Ute Liepold (*1965) ist promovierte Philosophin, leitet das Theater Wolkenflug in Klagenfurt. Verfasserin zahlreicher Studien zu feministischer Philosophie und Gender Mainstreaming.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.06.2020)

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