Gastkommentar

Tugendwacht mit politischem Kalkül

(c) Peter Kufner
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Wir erleben rund um die Antirassismus-Diskussion eine wahre Pandemie der Pseudomoral. „Black Lives Matter“ ist „in“.

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Protestzüge, Parolen, geballte Fäuste. Zertrümmerung von nationalen Symbolfiguren. Treibjagden auf alles, was in Verdacht steht oder stand, der Versklavung von Schwarzen gedient zu haben. Darunter nicht nur Südstaatler der USA. Vom Sockel der Geschichte gestoßen wurden in den vergangenen Wochen auch die Abbildungen des Pfadfinder-Gründers Lord Baden-Powell oder des Amerika-Entdeckers Christoph Kolumbus. In England musste das Denkmal des Weltkrieg-Premiers Winston Churchill vernagelt werden, um es vor Zerstörung zu schützen.

Zum geifernden Hass gesellte sich Absurdes: Der Filmklassiker „Vom Winde verweht“ erscheint z. B. fortan mit (politisch korrektem) Begleittext, weil in dem Epos schwarze Sklaven als zufriedene Menschen und weiße Sklavenhalter in heldischen Rollen dargestellt wurden. Vor einem New Yorker Museum soll demnächst die Statue des einstigen US-Präsidenten Theodore Roosevelt abgebaut werden, denn sie zeigt das Staatsoberhaupt auf einem Ross, während daneben ein Indianer und ein Afrikaner zu Fuß gehen müssen. Dies spiegle eine rassistische Hierarchie wider.

Verdacht gegen Shakespeare

Grotesk ist überdies der Rassismusverdacht gegen William Shakespeare, der sich mit der Figur des zwielichtigen Geldverleihers Shylock im „Kaufmann von Venedig“ in die historischen Nesseln gesetzt hat. Nicht weniger skurril wirken die moralischen Verurteilungen einer endlos langen Reihe von Denkern, Staatsmännern und Künstlern, darunter Namen wie Luther, Hegel, Mark Twain, Kant oder Wilhelm Busch.
Besonders lächerliche Auswüchse des Antirassismus sind geforderte Tabus von Bezeichnungen für Süßspeisen oder Getränke wie „Mohr im Hemd“ oder „Mohrenbräu“.

Wir erleben derzeit einen ins Wahnhafte gesteigerten Realitätsverlust und eine wahre Pandemie der Pseudomoral. „Black Lives Matter“ ist „in“, seit der schwarze George Floyd in Minneapolis auf grausame Weise von einem weißen Polizisten getötet wurde. Der Kampf gegen einen imaginären Rassismus wurde plötzlich zu einem verpflichtenden Muss. Da durften natürlich auch in Österreich die Aktivisten aus Boheme, NGOs und Politik nicht fehlen. Bei einigen von ihnen hat man das Gefühl, sie schämten sich, Weiße zu sein.

Zur Diskussion steht ganz allgemein die historische Schuld der Weißen an den Schwarzen und die Peinigung Schwarzer durch weiße Polizei. Zu wenig oder nicht diskutiert wird darüber, was Menschen schwarzer Hautfarbe von Ihresgleichen erlitten und erleiden müssen. Die nachkoloniale Geschichte Afrikas strotzt aber geradezu von Grausamkeiten Schwarzer an Schwarzen. Man erinnere sich nur an die vielen Verletzungen des Menschenrechts durch den Diktator Idi Amin in Uganda samt der von ihm betriebenen Ausweisung aller Bewohner asiatischer Abstammung. Oder an die Hauptstadt Somalias, die als „Hölle von Mogadischu“ förmlich zu einem Symbol für Inhumanität unter Schwarzen wurde. Oder an das, was sich in Nigeria tut. Ausgerechnet an dem Tag, an dem es in Atlanta einen zweiten erschossenen Afroamerikaner gab und die Protestaktionen gegen den Rassismus einen Höhepunkt erlebten, wurden im Nordosten Nigerias mehr als 40 Menschen von der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram gekillt. Im Klartext: Schwarze verübten vor der Weltöffentlichkeit einen Massenmord an Schwarzen. Wo bleibt der Aufschrei bei solchem Geschehen?

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