Gaza: Die Geschichte von Hamas und der Shisha

Wieso das Rauchverbot für Frauen keine gute Idee ist.

Dem Rauchen in öffentlichen Räumen wird zunehmend in islamischen und arabischen Ländern Einhalt geboten, vor allem in Flughäfen, Spitälern und an Universitäten. Die Gastronomie hinkt hinterher, und Nichtraucher werden in Restaurants leider weiterhin zwangsbeglückt; Nichtraucherschutz ist hier noch kein Thema.

Die traditionelle Wasserpfeife ist gesundheitspolitisch gesehen sogar noch ein größeres Übel als die Zigarette. Eine von Anfang bis Ende gerauchte Pfeife entspricht dem zugefügten Gesundheitsschaden von etwa zwei Packungen Filterzigaretten. In diesem Sinne macht es ja nichts, wenn sich die Hamas-Regierung an das beliebte „Spielzeug“ herantastet und unpopuläre Maßnahmen zum Schutz der jungen Bevölkerung trifft. Möchte man meinen. Doch nicht das Gesundheitsministerium hat ein Verbot ausgesprochen – es ist das Innenministerium, das das Rauchen von Wasserpfeifen an öffentlichen Plätzen (meist am Strand) untersagt hat, geschlossene Restaurants und Hotels sind ausgenommen. Und das Verbot gilt nicht für alle, es betrifft ausschließlich Frauen. Dass dieses Verbot nur Frauen gilt hat auch in Gaza für Verwunderung und Verwirrung gesorgt, und viele Lokalbesitzer haben die Regelung missverstanden und die Shishas gänzlich weggepackt.

Ein uniformierter hoher Beamter des Innenministeriums verteidigte das Verbot mit Hinweis auf die „guten Sitten“ des Landes. Mit diesem Gesetz macht die Hamas mehrere Fehler in einer Handlung, und zwar gesellschaftlich, politisch, taktisch, menschenrechtlich und theologisch.

Die Hamas unterschätzt die Frauen in Gaza. Frauen, die seit Jahren am Meer gelegentlich eine Wasserpfeife rauchen, meist bei einem Abendausflug mit den Familienangehörigen, werden sich erstens nicht an diese Bevormundung halten, und zweitens werden sie gegen diese einseitige Maßnahme Stimmung machen; wer glaubt, dass diese palästinensischen Frauen arme Hascherl sind, die sich einfach alles gefallen lassen, der irrt. Politisch ist es also alles andere als eine geschickte Handlung. Insbesondere in einer Zeit, in der die ganze Welt zu Recht sich mit Gaza solidarisch erklärt hat und sich für die sofortige, ja auch bedingungslose Beendigung der Blockade einsetzt, erweckt die Hamas-Regierung den Eindruck, als ob es keine gewichtigeren Probleme in Gaza gebe. Ein Innenministerium, das Shisha-Agenden für sich beansprucht, macht sich einfach lächerlich. Der taktische Fehler liegt zudem darin, dass die Hamas zu vergessen scheint, dass ihre Wähler keinesfalls nur aus dem streng religiösen Spektrum stammen. Hätte die Hamas die von ihr propagierte Lebensweise für Frauen bei den Wahlen in den Vordergrund gestellt, wäre es wohl nie zum überwältigenden Wahlerfolg vom 25.Januar 2006 gekommen.

Aus Menschenrechtsperspektive ist jede Gender-Unterscheidung bei Gesetzesvorgaben ohnehin skandalös. Und theologisch ist es gröbster Unfug, da es aus islamischer Perspektive keine Unterscheidung beim Halal und Haram (Erlaubtes und Verbotenes) zwischen Männern und Frauen gibt. Die wenigen islamischen Länder, hier wäre vor allem Saudi-Arabien zu nennen, die es versuchten, über „Sittenwächter“ eine der Regierung passende Moral durchzusetzen, sind kläglich damit gescheitert. Leider neigen nahöstliche Regierungen, und das gilt nicht nur für die Hamas, „Kulturkämpfe“ zu führen, wenn sie politisch nichts zusammenbringen (können). Nicht anders geht es der „konservativen“ Fraktion im Iran; wenn sie einen bedeutenden politischen Kampf verlieren, setzen sie irgendein Kulturgesetz durch, um zu zeigen, dass sie doch die Kraft haben, Gesellschaft zu gestalten. Es muss der Hamas klar sein, dass ihre Macht in Gaza auf die Verwaltung des „größten Freiluftgefängnisses der Welt“ (Erzbischof Desmond Tutu) beschränkt ist. Und nicht die Frauen-Shisha ist eine Gefahr, sondern die politische Zerrissenheit des palästinensischen Volkes.

Dipl.-Ing. Tarafa Baghajati (geb. am 1.September 1961 in Damaskus, Syrien) ist Mitgründer der Initiative muslimischer ÖsterreicherInnen (IMÖ).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2010)

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