Am Herd

Urlaub in Italien

Sonne, Strand und Meer warten in Bari.
Sonne, Strand und Meer warten in Bari.imago images/Independent Photo A
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Ja, wir waren in Italien. Nie war ein Urlaub ersehnter! Nach so vielen Monaten in Wien endlich wieder das Meer sehen und wissen: Die Welt ist weit.

Ich weiß, Österreich ist schön. Es gibt hier Wiesen, so grün, dass man hineinbeißen möchte, Bäche so hell und klar, dass die Kiesel am Grunde glitzern. Bauernhäuser mit putzigen Fensterläden. Kirchlein mit spitzen Türmchen und Friedhöfen, durch die man wandern und vor den alten Grabsteinen über längst vergangene Schicksale grübeln kann. Obstgärten. Weglein, von Klatschmohn gesäumt. Ich weiß, dass sich auch in Österreichs Seen der Mond spiegelt und dass hinter den Bergen die Sonne versinkt.

Und trotzdem – und trotz Corona – musste ich auch heuer nach Italien. Weil es eben nicht Österreich ist. Weil mich die Sprache anheimelt mit ihrem kindlichen Singsang. Weil dort das Erdbeereis anders schmeckt als hier, nicht besser, nur anders. Fremd. Die weiß verputzen Häuser Apuliens, gleißend im Licht. Die Küchen mit ihren Kasteln über der Abwasch, die nach unten hin offen sind, damit die Teller abtropfen können. Fliesenböden statt Parkett. Ich mag die Greißler, die dort Supermercati heißen und nur eine Sorte Senf haben und vier Flaschen Milch, zwei Intero und zwei Parzialmente Scremato. Die Alten, die Stunden über Stunden vor der Türe sitzen und huldvoll nicken. Die Geräuschkulisse aus schwappenden Wellen, nach ihren Bambini rufenden Müttern, quietschenden Möwen und irgendwo dudelt aus dem Radio ein Gottesdienst.

Ich musste mit meiner Familie nach Italien, auch deshalb, weil es immer so war, wir vier am Strand, wir vier unter der südlichen Sonne, und weil jeder Blick auf einen noch so verführerisch zwischen österreichischen Wäldern liegenden See mich daran erinnert hätte, dass wir nur hier waren, weil das Virus uns dazu zwingt.


Verschobener Flug. Leicht war es nicht. Im März schaute ich erschrocken auf die rasant steigenden Zahlen der Toten in der Lombardei, meine Italiener, meine armen Italiener! Doch im April hatte ich das Apartment immer noch nicht storniert. Im Mai bezifferte ich die Wahrscheinlichkeit, dass wir den Urlaub würden antreten können, auf immerhin schon zehn Prozent. Im Juni buchte ich tolldreist den Flug, der dann storniert wurde, und einen anderen, der verschoben wurde, nie war ich vor einer Reise so nervös. Würden wir jemals in Bari landen? Ich konnte es erst glauben, als wir das Gepäck aufgegeben hatten.

Und dann atmete ich auf. Zehn Tage lang – immerhin zehn Tage! – dachte ich kaum an das Virus, las Romane statt Artikel, kam nicht morgens ins halb verwaiste Büro, redete nicht über Zahlen und Masken und Abstand und die ungewisse Zukunft.

Ich sah übers Meer und wusste wieder: Die Welt ist weit. Es war eine Pause. Ich habe sie gebraucht.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

www.diepresse.com/amherd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2020)

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