Luft- und Raumfahrt

Der neue Traum vom Fliegen

Während seiner Flugstunden soll der Helicopter „Ingenuity“ immer in der Nähe des Rovers „Perseverance“ bleiben.
Während seiner Flugstunden soll der Helicopter „Ingenuity“ immer in der Nähe des Rovers „Perseverance“ bleiben.(c) NASA/JPL-Caltech
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Weil auf dem Mars die Orientierung mit GPS nicht möglich ist, navigiert der neue Nasa-Helikopter dort bald mithilfe einer Kamera und eines Bewegungssensors.

Der Traum vom Fliegen, so alt wie die Menschheit, schien lange unerreichbar. Heute findet es kaum mehr Beachtung, wenn eine Mission in Richtung Mars startet – dieses Jahr waren es bereits drei (siehe Lexikon). Doch die jüngst von Cape Canaveral aus gestartete „Mars 2020“-Mission der amerikanischen Weltraumbehörde Nasa bringt neben dem Perseverance Rover auch ein neuartiges Fluggerät auf den Roten Planeten. Der unbemannte Helikopter mit dem stolzen Namen Ingenuity, zu Deutsch „Einfallsreichtum“, musste das Fliegen von Grund auf lernen – da kam der Einfallsreichtum gerade recht.

Denn neben den staubig-windigen Verhältnissen auf dem Mars stellten sich den Ingenieuren zwei fundamentale Probleme. Erstens die verminderte Atmosphärendichte: Auf der Erde fliegen Helikopter selten über 4000 Meter hoch, da ihr Auftrieb von der Luftdichte abhängt. Der Druck auf dem Mars aber ist vergleichbar mit einer terrestrischen Höhe von 36 Kilometern. Ein Motor mit vielen Rotorumdrehungen soll dieses Leistungsproblem lösen. Komplizierter und bisher ungelöst war die zweite Herausforderung: Ohne GPS-Technologie und nur mit bordeigener Messtechnik muss sich der Heli im Gelände orientieren und stabil in der Luft halten.

Rechenstarke Computer

Stephan Weiss, heute Gruppenleiter und Vorstand des Instituts für Intelligente Systemtechnologien der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt (AAU), hat den Algorithmus im Ingenuity maßgeblich mitentwickelt. „Das Projekt reicht zurück zu meiner Promotion an der ETH Zürich. Ursprünglich ging es mir um die kamerabasierte Orientierung auf der Erde, doch auf einer Konferenz wurde das JPL der Nasa auf mich aufmerksam“, so der Robotik-Experte und studierte Elektrotechniker.

JPL, das steht für Jet Propulsion Laboratory, die Einrichtung entwickelt unter anderem Sonden und Satelliten für die Nasa. Nach dem Doktorat heuerte Weiss bei den Amerikanern an und schnell wurde klar: Die rotorbetriebene Drohne soll auf den Mars.

Um sich dort zurechtzufinden, nutzt sie zwei Datenquellen: „Eine Kamera fungiert als Auge der Drohne. Durch Aufnahmen eines Objekts aus verschiedenen Blickwinkeln entsteht eine Punktwolke, die räumliche Navigation ermöglicht“, erklärt Weiss. Besonders herausfordernd dabei sei die relativ kontrastlose Oberfläche des Mars, die es der Software erschwert, dasselbe Objekt auf unterschiedlichen Bildern wiederzufinden.

Die andere Datenquelle ist ein Bewegungssensor. „Würde nur eine Kamera zum Einsatz kommen, hätten wir keine Möglichkeit, das Gerät sicher zu steuern, da sie keine metrischen Informationen über die Höhe oder die Entfernung zu einem Hindernis erfassen kann“, beschreibt der Wissenschaftler die Orientierungstechnik. Der Bewegungssensor, die „Inertial Measurement Unit“, kurz IMU, zeichnet bis zu tausendmal pro Sekunde auf, wie schnell der Flugkörper beschleunigt und sich entlang der drei Achsen um sich selbst dreht. „Auf Basis dieser Informationen wird er zwar nur kurzzeitig stabilisiert. Allerdings können wir damit aber auch die Kamerabilder metrisch skalieren“, erklärt Weiss.

Die Stabilisierung über längere Zeit wird durch Zusammenführen der Kamerabilder mit den Daten der IMU erreicht. Eine fordernde Aufgabe für den leistungsstarken Computer an Bord. Trotz der aufwendigen Technik ist der Ingenuity in den Augen des Mitentwicklers nur eine erste Demo, die von der Aufgabe des Perseverance unabhängig verläuft: „Auf dem Mars angekommen, wird der Rover zunächst in sichere Entfernung gebracht, während der Heli fliegen lernt.“ Weitere Versionen sollen folgen und dann mit Aufklärungsflügen auch die Rover-Mission unterstützen.

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