Replik

Das Potenzial der OSZE ist noch lange nicht ausgeschöpft

(c) Die Presse
  • Drucken

Die OSZE befindet sich in einer anhaltenden Identitätskrise. Diese spiegelt aber auch die systemischen Sicherheitsprobleme in Europa.

Gastkommentare und Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

>>> Mehr aus der Rubrik „Gastkommentare“

Die OSZE und das europäische Sicherheitssystem durchleben schwierige Zeiten. Die derzeitige Situation, in der die Teilnehmerstaaten die Kontinuität der Arbeit des Generalsekretärs, des Direktors des Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte, des Hohen Kommissars für nationale Minderheiten und des Beauftragten für die Freiheit der Medien nicht gewährleisten konnten, hat nicht nur personelle, sondern auch tief liegende institutionelle Probleme aufgedeckt.

Insbesondere handelt es sich um eine anhaltende Identitätskrise der OSZE, die bisher nicht in der Lage war, ihre Nische im europäischen Sicherheitssystem zu finden, obwohl sie sowohl über ein Mandat in Form von grundlegenden, auf höchster Ebene angenommenen Dokumenten als auch über alle Möglichkeiten für dessen Umsetzung verfügt. Die OSZE bleibt im Grunde genommen ein „Diskussionsklub“, der noch keine rechtlichen Formen angenommen hat.

Die Krise der OSZE (wie sie auch Botschafter Christian Strohal in seinem „Presse“-Gastkommentar benennt, 1. 8. 2020) ist eine Widerspiegelung der gemeinsamen systemischen Sicherheitsprobleme in Europa. Diese gibt es nicht erst seit heute. Seit den 1950er-Jahren war eine der wichtigsten außenpolitischen Ideen der sowjetischen Führung die Schaffung eines kollektiven Sicherheitssystems in Europa, das die NATO und die damals entstehende Europäische Gemeinschaft durch etwas Kollektives und Inklusives ersetzt hätte, und wo auch die Sowjetunion einen Platz finden hätte können. Diskutiert wurden die verschiedensten Ideen, bis hin zu einem Sicherheitsrat für Europa.

Doch parallel dazu verlief der Prozess für den Aufbau eines kollektiven Kerns im euro-atlantischen Raum unter der Ägide der USA. Daher verhielten sich die Vereinigten Staaten zunächst skeptisch gegenüber Versuchen zur Schaffung einer gesamteuropäischen Sicherheitsstruktur und begannen dann, sich aktiv gegen eine solche Initiative zu stellen, da diese ein Konkurrent zur NATO werden hätte können. Am 18. Mai 1990, als die Prozesse im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Pariser KSZE-Gipfels und der Pariser Charta für ein Neues Europa im Gang waren, erklärte der damalige US-Außenminister James Baker während eines Treffens mit Michail Gorbatschow: „Es ist angenehm, über gesamteuropäische Sicherheitsstrukturen, über die Rolle der KSZE sprechen zu können. Das ist ein bemerkenswerter Traum, aber es ist nur ein Traum. Zur gleichen Zeit existiert die NATO und die Allianz funktioniert.“ Ein solcher Zugang begleitete den gesamten OSZE-Entstehungsprozess. Die USA waren bestrebt, das Erscheinen von Konkurrenten für die von ihnen kuratierten oder ihnen ideologisch nahe stehenden Strukturen im Sicherheitsbereich nicht zuzulassen, darunter auch die Europäische Union. Und diese Ideologie stört die OSZE weiterhin, sich in eine vollwertige regionale Organisation im Sinn von Kapitel VIII der Charta der Vereinten Nationen zu verwandeln. Ihretwegen werden alle Reformversuche und die Ausstattung der OSZE mit Rechtspersönlichkeit blockiert.

Plattform für Dialog

Russland war stets der OSZE verpflichtet. Mit der Gründung der KSZE/OSZE erhielt der gesamteuropäische Prozess einen umfassenden Charakter. Die Astana-Deklaration von 2010 unterstrich die Wichtigkeit der Aufgabe zur Bildung einer Sicherheitsgemeinschaft, welche sich auf Zusammenarbeit begründen und Europa, den Euro-Atlantischen Raum sowie Eurasien umfassen wird. Trotz all ihrer Unzulänglichkeiten sind wir davon überzeugt, dass das Potenzial dieser Organisation noch lang nicht ausgeschöpft ist. Die OSZE ist eine unikale Plattform für den Dialog und die Zusammenarbeit. Die neuerliche Schaffung eines solchen Mechanismus ist in der heutigen Situation einfach unmöglich. Diesen kann und muss man stärken, wozu jedoch politischer Wille notwendig ist.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.