Ambivalentes Verhältnis zu Bürgerlichkeit. Charlie Parker.
Spectrum

Charlie Parker: Letzte Stunden eines Sterns

Am 29. August vor 100 Jahren kam der Altsaxofonist Charlie „Bird“ Parker in Kansas City zur Welt. Er sollte nur 35 Jahre alt werden, leitete aber eine Revolution im Jazz ein – den Bebop. Ein Genie am Abgrund.

So wie Charlie Parker fielen viele Jazzmusiker, die in den 1940er- und 1950er-Jahren bedeutend waren, der Drogensucht anheim und kamen darin um: der Pianist Bud Powell, der Trompeter Fats Navarro oder die Sängerin Billie Holiday, um nur drei Beispiele zu nennen. Oft ging – wie bei Charlie Parker – mit der Drogensucht Alkoholismus einher. Über einen Zusammenhang zwischen rassischer Diskriminierung und der Flucht afroamerikanischer Musiker in Heroin oder Alkohol ist viel publiziert worden. Natürlich hat Charlie Parker den Rassismus weißer Veranstalter und Clubbesitzer am eigenen Leib erlebt. Der Pianist Hampton Hawes bezeichnete Parker einmal als „zutiefst frustrierten Mann“. Zu der schon in früher Jugend bei Parker registrierten Ichbezogenheit, gepaart mit einem Suchtverhalten, scheint später die Frustration über das Unverständnis des weißen Amerika gegenüber seiner Musik gekommen zu sein. Bereits 1937, also mit gerade 17 Jahren, soll er süchtig gewesen sein. Manche Musikerkollegen vertraten die Auffassung, seine Drogensucht sei eine Reaktion auf die ihm als Künstler wie als Mensch entgegengebrachte Missachtung gewesen. Wenn die Drogenabhängigkeit auch bei schwarzen Jazzmusikern in der Bebop-Periode der 1940er-Jahre besonders verbreitet war, so gab es sie natürlich auch unter den Weißen.

Charlie Parker war eine schillernde, vielschichtige Persönlichkeit. Er zeichnete sich durch Sarkasmus aus und hatte ein ambivalentes Verhältnis zur „bürgerlichen Gesellschaft“, galt nicht nur als unpünktlich, sondern auch als unzuverlässig. Der Schlagzeuger Max Roach sah in Parkers Missachtung bürgerlicher Verhaltensweisen eine bewusst gesetzte Ignorierung der Wertvorstellungen der weißen Mittelklasse. Er und Billie Holiday hätten sich quasi selbst in Brand gesetzt, um der Gesellschaft zu signalisieren, dass sie sich nicht ausbeuten ließen. Obwohl Charlie Parker immer wieder versuchte, einen „bürgerlichen Lebensstil“ zu befolgen, wollte ihm das nicht gelingen. Er tat sich mit Frauen stets schwer und verhielt sich in finanziellen Dingen gegenüber seinen Bandkollegen oft unkorrekt.

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