Gender Pension Gap

Die Lücke zwischen Ist und Soll ist bei Frauen am höchsten

(c) RICHARD TANZER
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Österreich hat mit 38,7 Prozent die vierthöchste geschlechtsspezifische Pensionslücke innerhalb der EU. Die Corona-Krise wird die Lage noch weiter verschärfen, daher braucht es dringend Maßnahmen, so eine aktuelle Studie.

Es gibt längst nicht nur den Tax Freedom Day: Der Equal Pension Day markiert jenen Tag, an dem Männer bereits so viel Pension bekommen haben, wie Frauen erst bis Jahresende bekommen haben werden. Dieser Tag fällt 2020 österreichweit auf den 30. Juli, denn Frauen erhalten in Österreich durchschnittlich um rund 40 Prozent weniger Pension als Männer. Diese Situation veranlasste die Sektion Frauen und Gleichstellung im Bundeskanzleramt in Kooperation mit einer Reihe von renommierten Partnern wie dem Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo und der Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt (FORBA) das EU-kofinanzierte Projekt „TRAPEZ-Transparente Pensionszukunft. Sicherung der ökonomischen Unabhängigkeit von Frauen im Alter“ durchzuführen. Das Projekt hat das Ziel, die Unterschiede in den Alterspensionen von Männern und Frauen vertieft zu analysieren und Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen, diese zu verringern und die finanzielle Absicherung im Alter, besonders für Frauen, zu verbessern.

Zwei Hauptfaktoren


Die ersten Erkenntnisse liegen bereits vor: In einem Policy-Brief der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) präsentiert Wifo-Ökonomin Christine Mayrhuber mit Ingrid Mairhuber von FORBA die ersten Ergebnisse des EU-geförderten Kooperationsprojektes zur geschlechtsspezifischen Pensionslücke in Österreich.
Die Studie zeigt die Größe des Pensionsnachteils der Frauen gegenüber Männern in der EU und die Bestimmungsfaktoren des überdurchschnttlich hohen Gender Pension Gap in Österreich. Österreich hat mit 38,7 Prozent innerhalb der EU den vierthöchsten Gap (EU-28-Durchschnitt: 30 Prozent).

Das ist laut den Studienautoren vor allem auf zwei Gründe zurückzuführen: „Ein Hauptfaktor ist das geringere Erwerbseinkommen der Frauen, gekennzeichnet durch Teilzeitbeschäftigung und Niedriglohnjobs“, betont Mayrhuber. Denn werden nur Pflichtversicherungszeiten aus Erwerbstätig­keit betrachtet, beträgt die geschlechtsspezifische Lücke bei den mittleren Pensionen 60 Prozent. Teilversicherungszeiten (wie z. B. Kindererziehungszeiten) reduzieren diese Lücke auf 48,1 Prozent und erhöhen die mittleren Pensionen der Frauen um knapp ein Drittel. Der zweite Faktor betrifft die geringere Anzahl der Verischerungsjahre von Frauen gegenüber den Männern. Denn im Mittel haben Frauen insgesamt um knapp acht Ver­sicherungsjahre weniger als Männer. Der Unterschied bei den Erwerbsjahren beträgt sogar zwölf Jahre. Kinder­erziehungszeiten federn nur einen Teil der geringeren Beitragszeiten und Beitragsgrundlagen ab. Dieser Faktor hat ebenso einen Erklärungswert, wenngleich der Erklärungsbeitrag im Vergleich mit den geringeren Einkommen schwächer ist.

Die wirtschaftliche Situation der Frauen und ihre finanzielle Eigenständigkeit ist durch die Entwicklung im Jahr 2020 weiter unter Druck geraten. Die aktuellen Beschäftigungsrückgänge und die steigende Arbeitslosigkeit in Branchen mit niedrigen Löhnen und hohem Teilzeitanteil als Folge der Coronakrise werden die Pensionslücke mittelfristig aufrechterhalten.

Fehlendes Bewusstsein

Denn ein Bewusstsein in der breiten Bevölkerung für die Brisanz dieser Thematik sucht man vergeblich, wie Mayrhuber sagt: Die Studie hat auch die Wahrnehmung des Pensionsnachteils durch die befragten Frauen untersucht. Die Höhe des Gender Pension Gap wurde dabei über­wiegend richtig eingeschätzt und es besteht keine große Verwunderung über die tatsächliche Höhe des geschlechtsspezifischen Pensionsunterschiedes. Auch die Ursachen – Einkommensunterschiede und ungleiche Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern – werden klar benannt. Gleichzeitig wird dieser enorme Unterschied von allen befragten Frauen – unabhängig von Alter, höchster abgeschlossener Ausbildung, gelebter geschlechtlicher Arbeitsteilung etc. – als große Ungerechtigkeit empfun­den.

Akuter Handlungsbedarf

Das leuchtet ein: Es ist nicht verständlich, dass Frauen, obwohl sie neben der Erwerbstätigkeit den überwiegenden Teil der unbezahlten Versorgungsarbeit wie Kinderbetreuung und Angehörigenpflege leisten, im Alter eindeutig viel schlech­ter abgesichert sind als Männer und teilweise von deren Einkommen abhängig bleiben. Ansatzpunkte zur Verringerung der geschlechtsspezifischen Pensionslücke liegen daher im Arbeitsmarkt (z. B. höhere Einkommen, längere Be­schäftigung), Pensionssystem (z. B. Aufwertung) sowie im Bereich der strukturellen Rahmenbedingungen (z. B. Be­treuungsinfrastruktur), so die Studienautoren.

Information:

Der Round Table fand auf Einladung der „Presse“ statt und wurde finanziell unterstützt von Hello bank! BNP Paribas Austria AG, S IMMO AG und Uniqa Insurance Group AG.

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