Replik

Sterbehilfe: Warum ein derart untergriffiger Text?

Wir sind nicht zwielichtig, wir kämpfen nicht. Wir setzen uns ein für das Recht auf ein selbstbestimmtes Lebensende.

Die Argumente des Leitartikels von Anne-Catherine Simon in der „Presse“ („Die zwielichtigen Freiheitskämpfer der aktiven Sterbehilfe“, 9. Oktober) könnten wir besser nachvollziehen, wenn wir, die wir uns für die Sterbehilfe einsetzen, sagten, jeder müsse nun den Freitod wählen. Aber wer will denn so etwas? Niemand! Warum ein derartig untergriffiger Text? Warum die haltlosen Unterstellungen?

Wir wollen keine Grauzone, wir wollen klare Regelungen. Die Aussage der „zwielichtigen Kämpfer“ offenbart ein Nicht-Verstehen und in der Abwertung der Sache eine Angst vor diesem Nicht-Verstehen. Doch es ist kein Kampf. Es ist eine Auseinandersetzung, eine Annäherung an ein Thema, das uns als Lebende ungreifbar ist und auch bleiben wird – bis uns selbst das Sterben erreicht, wird keiner genau sagen können, wie man letztlich aus dem Leben scheiden wird.

Gastkommentare und Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

Die Autorinnen

Dr. Isolde Lernbass-Wutzl ist im Beirat der Österreichischen Gesellschaft für ein Humanes Lebensende (ÖGHL), Marcela Selinger ist Tochter einer Sterbehilfepatientin.

In Anbetracht der Tatsache, dass das Thema Tod seit jeher ein Tabuthema ist, dem Menschen seit Jahrtausenden die Autonomie von den Regierungen niemals zugelassen wurde und der Mensch gezwungen war, andere für ihn entscheiden zu lassen, braucht es eine schrittweise Veränderung und Hilfestellung. Es gibt Menschen, die sich sehr bewusst sind, wie sie diese Welt verlassen wollen, aus ihrer bewussten Entscheidung heraus. Das gehört im Sinne der Menschenwürde respektiert. Die Würde definiert das Bewusstsein des eigenen Wertes, der sich gesellschaftlich in der unantastbaren Autonomie, die Entscheidung über die eigene Existenz selbst treffen zu können, widerspiegelt. Wenn ein sehr kranker Mensch meint, sein Leben sei entwürdigend, dann ist das für ihn so. Jeder erlebt Krankheit, Schmerz, Pflegebedürftigkeit anders. Die Autonomie des Menschen, über seine Existenz entscheiden zu können, bestätigt seinen Wert in der Gesellschaft. Wie kann jemand anderer sagen, ob ich mein Leben in Krankheit und Leid, im Verlust an Autonomie noch als wertvoll empfinden kann – wer darf sich das anmaßen? Niemand! Es ist traurig, was Simon über die Studie in den Niederlanden schreibt – die Mitgründe der Einsamkeit, niemanden belasten zu wollen, Geldmangel, das trifft viele Sterbende, denn durch die gesellschaftliche Tabuisierung von Tod und Leid hat der Mensch auch keinen natürlichen Zugang zur Thematik und ist gar nicht in der Lage die Angehörigen zu unterstützen.

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