Josef Krainer jun.: Er blieb zeitlebens „der Sohn“

Josef Krainer blieb zeitlebens
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Zum 80. Geburtstag des steirischen Landeshauptmannes (1980–1996). 23 Jahre lang hatte Vater Krainer, der „lärchene Stipfl“, das Land regiert. 16 sollten es beim Sohn werden.

Am 6. Juli 1948 stand der 18-jährige Josef Krainer als Zuschauer in der steirischen Landstube zu Graz. Sein Vater gleichen Vornamens wurde als Landeshauptmann gewählt und angelobt. 32 Jahre später stand dieser „Krainer junior“ selbst vor den Abgeordneten und trat das Erbe an – nachdem er schon vorher in der Ära des „Zwischenregenten“ Friedrich Niederl der eigentlich Mächtige in der grün-weißen Landespolitik war. 1996 trat er von allen Ämtern zurück. Und am kommenden Samstag, am 28. August, wird er 80.

„Es wird nicht zu vermeiden sein, dass alles, was du tust und planst und vorträgst, mit dem verglichen wird, was dein Vater getan, geplant und vorgetragen hat oder hätte“, gab 1980 der legendäre Landtagspräsident Hanns Koren in weiser Voraussicht dem soeben Angelobten mit auf den Weg.

Vater, der „lärchene Stipfl“

23 Jahre lang hatte Vater Krainer, der „lärchene Stipfl“, das Land regiert. 16 sollten es beim Sohn werden. Dem Vater, einem Holzknecht, sollte höhere Bildung verwehrt bleiben, dem Sohn lässt er die beste akademische Ausbildung zukommen, in Graz und an der University of Georgia in den USA, an der Johns Hopkins Universität in Bologna (wie Alois Mock). Noch nie in der Republik ist ein Politiker von der Familie derart auf sein künftiges Amt vorbereitet worden.

Der Sohn des Landeshauptmannes erhält Angebote von Wirtschafts- und Bauernbund, sein Organisationstalent einzubringen, das man von ihm als Generalsekretär der Katholischen Aktion in der Steiermark kennt.

Moderner Bauernbund

Kein langes Zaudern – Krainer entscheidet sich zur Freude des Vaters für den Bauernbund und wird dessen Direktor – Exponent des intellektuellen Aufschwungs, den der biedere ÖVP-Bund nimmt. Sixtus Lanner ist auf Bundesebene ein Garant für diesen weltoffenen Kurs.

Mit einem Trick versucht der alten Fuchs Krainer sen., den Filius 1969 für den Nationalrat nachzunominieren, das lehnt der ÖVP-Innenminister ab: Dieses eine Jahr bis zur regulären Neuwahl werde sich der vorprogrammierte Star schon noch gedulden können.

ÖVP-Bundesparteichef?

Nach dieser ersten Niederlage durch „die Wiener“ geht es jahrelang nur noch bergauf: Hochzeit mit Rosemarie, fünf Kinder, ab 1970 Nationalratsabgeordneter in Wien. Die Volkspartei ist erstmals in Opposition. Und einer der schärfsten Kreisky-Kritiker heißt – Krainer. Er gefällt den Granden in der Partei so, dass er im Juni 1971 Bundesparteichef werden könnte. Hermann Withalm gibt das Amt auf. Aber der Steirer lehnt taktisch klug ab. Da kann man keine Lorbeeren ernten. Der neue Obmann heißt somit Karl Schleinzer.

Am 29. November desselben Jahres ist dann sowieso alles ganz anders. Den Vater hat auf der Jagd der Herzinfarkt gefällt. Friedrich Niederl wird Nachfolger, aber er stellt die Bedingung, dass ihm der Krainer-Sohn als Agrar-Landesrat und als geschäftsführender Parteiobmann zur Seite steht. Was wie rührende Kameradschaft aussieht, ist freilich auch politisches Kalkül Niederls: Der künftige starke Mann soll ihm nicht vom Spielfeldrand dreinreden.

Niederl, die Nummer eins

Vorn steht ab nun der einstige Keuschlerbub Niederl, stets freundlich, als Verwaltungsjurist penibel korrekt – dahinter der Intellektuelle mit der Bodenhaftung, Josef Krainer. „Man unterschätzte Niederl immer“, meint Josef Krainer heute: „Der war ein politisches Urtalent. Ein Gerechtigkeitsfanatiker, kein blasser Verwaltungsjurist. Er war ein sehr angesehener Mensch, der politisches Gespür hatte.“ Im Juli ist er 90 geworden.

Das Duo feiert Wahltriumphe. Der Grund für die breite Zustimmung der Bevölkerung zum Kurs der Steirer-Schwarzen liegt in der Öffnung der Partei – von der Mitte aus nach beiden Seiten des Spektrums. Die Grazer Kulturszene hat erstmals Mäzene, auf der anderen Seite wird auch auf das nationalliberale Lager nicht vergessen, das besonders in Graz stark verankert ist – Alexander Götz wird zum geschätzten Partner. Die Handschrift des nächsten Landeshauptmannes ist da schon spürbar.

Private Sorgen, Probleme mit Kreditgeschäften der beiden Söhne, denen in Schladming ein Hotelprojekt missraten ist: Niederl gibt 1980 auf und muss sich ins Private zurückziehen. Am 4. Juli 1980 ist „Krainer II.“ am Ziel. Im 50. Lebensjahr stehend, legt er den Eid auf die steirische Verfassung ab.

Krise an Mur und Mürz

Große Hoffnungen, hohe Erwartungen werden an den Namen geknüpft. Nicht alle sind erfüllt worden. Der Grund ist recht simpel: Auch ein charismatischer Politiker kann gegen den Zwang der Verhältnisse wenig ausrichten. Er kann nur gegensteuern.

Josef Krainer muss eine dramatische Krise der obersteirischen Erz- und Eisenindustrie verantworten, Rezepte dagegen haben auch die Wiener nicht. Aussichtslose Arbeitsplätze halten, halten, halten – so lautet Bruno Kreiskys Rat. Milliarden versickern in dem Industriefriedhof der Mur- und Mürz-Furche. Versäumnisse der Vergangenheit rächen sich bitter. Statt auf zukunftsträchtige Geschäftsfelder zu setzen, also etwa die Zweiradindustrie, wird zugesperrt. Das nagt am Selbstverständnis der Steirer, die Bundes-ÖVP kann nicht helfen. Sie ist in der Opposition gefangen.

Aufstand gegen „Draken“

Die kleine Koalition zwischen SPÖ und FPÖ ab 1983 ist führungsschwach. Also proben die Steirer den Aufstand gegen die Stationierung neu gekaufter Abfängjäger („Draken“) in Zeltweg, statt über Arbeitsplätze zu jubilieren. Krainer kann und will sich dem Volksaufstand nicht entgegenstemmen. Ein Misstrauensantrag der steirischen VP-Mandatare gegen den eigenen Heeresminister Robert Lichal (inzwischen gibt es eine Große Koalition) ist dann der Gipfel eines schweren taktischen Fehlers, den die jungen Berater um Krainer zu verantworten haben.

1988 landen dann sogar alle 24 „Draken“ in Zeltweg. Kein einziger ist je auf ein steirisches Hausdach heruntergeplumpst, wie vorausgesagt wurde.

1990 beginnt der Abstieg. Jörg Haider, den mit Krainer durchaus Freundschaft verbindet, taucht wie ein Komet auf dem innenpolitischen Firmament auf. Bei jeder Landtagswahl vervielfacht er seine Mandatsstände, auch in der Steiermark wildert er.

Hirschmann, Klasnic

So sackt die ÖVP von 51,8 Prozent auf 44, 2 Prozent ab, die schwache SPÖ wird Regierungspartnerin. 1993 bringt Krainer neue Leute in die Arena: Gerhard Hirschmann, ein schlauer Querdenker; Waltraud Klasnic, eine mütterliche Nachwuchshoffnung. Als er auf die 65 zugeht, würde er am liebsten seinem Schüler Hirschmann das Ruder übergeben, doch dann macht er doch noch weiter.

Und entscheidet schließlich fatal – falsch. Als im Herbst 1995 die Koalition zwischen Franz Vranitzky (S) und Wolfgang Schüssel (V) zerbricht, zieht Krainer seinen Neuwahltermin um ein Jahr vor: Am 17. Dezember soll im Land und im Bund gewählt werden. Der Wahlkampf läuft auf ein beinharten Duell zwischen Vranitzky und Schüssel zu, was die Meinungsforscher so nicht vorausgesagt hatten. Haider wird strahlender Sieger, die steirische ÖVP geht unter, bleibt allerdings stärkste Kraft. Krainer hat genug.

Hirschmann verweigert

Die Nachfolgefrage ist rasch geklärt. Noch am Abend der verheerenden Niederlage hat Krainer seinem „Ziehsohn“ Hirschmann anvertraut, er werde ihn tags darauf der Partei als Erben vorschlagen. Doch der erkennt, dass er zu sehr polarisiert. Er schlägt stattdessen Waltraud Klasnic vor – und so wird die Wirtschaftslandesrätin die erste Frau, die ein Bundesland regieren sollte. Mit Erfolg zunächst, beim zweiten Wahlgang – 2005 – geht die Sache schief, die SPÖ übernimmt im Land das Ruder.

Nur ein „Landesfürst“

Der Aufstieg und der Rückzug Josef Krainers sind Lehrbeispiel dafür, dass man sich der Bundespolitik nicht auf Dauer verweigern sollte. Der Ruf ist oft und dringlich an ihn gerichtet worden – er hat ihn ignoriert. 1971 hätte er Oppositionsführer werden können, das wollte er nicht. 1992 hätte er VP-Präsidentschaftskandidat werden können, wie es sich sein Freund Erhard Busek wünschte. Krainer empfahl stattdessen den Botschafter Thomas Klestil.

So bleibt seine Lebensbilanz auf die Steiermark beschränkt. Als einer der letzten wirklichen „Landesfürsten“ in der Nachfolge des Erzherzogs Johann. Dessen Bild hing hinter seinem Schreibtisch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.08.2010)

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