Mein Dienstag

Essenzielle Kulturgüter

imago images/Hans Lucas
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Der Handel bleibt offen - in Österreich - auch Christkindlmarkt-Fantasien gibt es.

In Österreich bleibt der Handel (vorerst) noch von Schließungsanordnungen verschont, und einmal darf man sich in unserer lieben, kleinen Republik als selige Insulaner betrachten. Denn so gut wie überall anderswo gehen die Rollbalken für zumindest einen Monat hinunter, um die Verbreitung der Pandemie einzubremsen. Natürlich sperrt nicht alles zu, die Menschen müssen ja essen, trinken, Kopfwehtabletten und Windeln kaufen, und – tja, was eigentlich noch alles? Was ist essenziell? Sprich: unabdingbar?

In Frankreich hat man vorige Woche auf eine Weise so gut wie das gesamte öffentliche und einen Gutteil des privaten Lebens zugesperrt, von der man sich in Österreich, wo immer noch ernsthaft über die Veranstaltung von Christkindlmärkten fantasiert wird, keinen Begriff macht. Geschlossen werden unter anderem auch Buchhandlungen. Denn Bücher gelten laut den Erlässen der Regierung nicht als essenziell. Das hat in diesem Land, das seine Schriftsteller so hoch verehrt wie kaum ein anderes, zu einem Sturm der Empörung geführt. Wieso muss ein kleines Buchgeschäft, das brav alle sanitären Regeln befolgt und seine Kunden nur einzeln eintreten lässt, zusperren – aber der Hypermarkt am Stadtrand darf weiterhin offen halten und Bücher verkaufen?

Eine berechtigte Frage, welche die Regierung zu einer Entscheidung bewogen hat, die den Beobachter sprachlos lässt: die Supermärkte dürfen fortan auch keine Bücher mehr verkaufen. Ein Schelmenstreich, der den Niedergang des Buchhandels im Kampf gegen Amazon beschleunigen dürfte. Denn die kleinen Buchgeschäfte dürfen zwar weiterhin Bestellungen ausliefern. Doch die meisten sind damit logistisch überfordert, vor allem die kleinsten, die oft von älteren Bibliophilen ohne allzu extravagante Gewinnabsichten geführt werden.

In Belgien hat man diese delikate Frage vernünftiger gelöst. Buchhandlungen dürfen geöffnet bleiben, präzisierte die Regierung am Sonntag die Liste der zu schließenden nicht essenziellen Geschäfte. Wenigstens einmal hat das kleine Königreich ein praktisches Problem besser angepackt als sein größer Nachbar.

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