Mein Dienstag

Kulturkampf um Brüssels grüne Lunge

In Brüssel wird über den Bois de la Cambre gestritten. Ein Gericht hebt die Sperre des Naherholungsgebiets für den Autoverkehr auf.

Der Bois de la Cambre ist, wie ich an dieser Stelle bereits erwähnt habe, einer der beliebtesten Orte für Brüsseler, um Luft zu schnappen, sich die Beine zu vertreten oder, wenn es das Wetter gestattet, zu picknicken. Relativ gut mit Bussen und Straßenbahnen zu erreichen, sowie nahe der Gemeinden Ixelles und Etterbeek gelegen, in denen viele der mehrheitlich jungen Menschen leben, die rund um beziehungsweise mitten im Maschinenraum der EU arbeiten, erfreut er sich in diesen Expat-Kreisen einer Popularität, die andere, etwas entlegener positionierte Grünflächen nicht erlangen können. Schnell ist der Vergleich zum New Yorker Central Park da, den ich auch immer wieder ziehe, auch wenn er ein bisschen überzogen erscheinen mag.

Nun sorgten die ersten Sperren des öffentlichen Lebens in Belgien im März (hier war das, im Gegensatz zu den bisher eher sanften Einschränkungen in Österreich, tatsächlich ein Lockdown) dafür, dass man etwas Unerhörtes probierte: Der Park wurde für den Autoverkehr gesperrt, damit die Menschen mehr Platz für ihren Auslauf haben. Diese Sperre wurde dann nur teilweise zurückgenommen, sehr zum Unmut jener Stadtteile, die hinter dem Park liegen und deren Einwohner per Auto in die Arbeit fahren (und dazu bisher durch den Park düsten). Denn natürlich steckten die seither noch tiefer und länger im Stau als bisher. Und auch alle jene, die brav mit Bus und Tramway fahren. Dieser Tage befand ein Gericht, dass die gesamte Sperre des Parks für den Autoverkehr aufzuheben sei, weil sie inkorrekt zustande gekommen war.

Die Reaktionen waren vorhersehbar und typisch: Die Autofahrer jubelten, jene, die Autofahren für einen Ausdruck zivilisatorischer Obsoleszenz und moralischer Verkommenheit halten, schäumten. Mitten im Kreuzfeuer aus Invektiven bleibt die schweigende, erschöpfte Mehrheit übrig, die weder aus dem Auto- noch dem Fahrradfahren eine Religion macht, aber gern rasch und verlässlich von A nach B kommen möchte – egal, auf welche Weise.

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