Kolumne zum Tag

Auch die Schmetterlinge überleben im Frost

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In Freiheit frieren oder geschützt überwintern? Manchmal ist beides möglich.

Ein Tagpfauenauge flattert immer wieder gegen das geschlossene Fenster. Der Schmetterling will hinaus in den grauen Frost. Es hat Minusgrade. Was ist besser: Ihn zu seinem Glück zu zwingen, damit er herinnen geschützt überwintern kann oder ihn ins Freie zu entlassen, auch wenn er dann vielleicht erfriert? Er dotzt unermüdlich gegen die Scheibe. Ich öffne das Fenster. Freiheit ist wichtiger, auch wenn er sie vielleicht nicht lange genießen kann.

Später werde ich eines Besseren belehrt. Tagpfauenaugen können sogar tiefste Temperaturen überleben, sie verfügen über eine Art Frostschutzmittel (Biologen mögen die Ungenauigkeit verzeihen). Wärme tötet sie. Sie können, aber müssen nicht draußen bleiben. Gerne überwintern sie in Kellern oder was sich an geschützten kühlen Ecken finden lässt. Unsereins würde sich auch in einen Winterschlaf begeben, wenn möglich.

Es ist oft eine Frage des Lichts. Als der Nebel aufreißt, zieht es die Menschen im Park zu den Sonnenflecken. Eine ältere Dame lehnt an der Mauer des Palmenhauses und hält ihr Gesicht in die Sonne. Sie hat die Augen geschlossen. Neben ihr machen ein paar Junge Instagram-Faxen, sie posieren und springen und strahlen um die Wette. Momentaufnahmen, die bleiben.

Bei Sorgenbelagerung werden Nebenschauplätze größer als sie sind. War der Nikolo schon einmal von der Stadt Wien bedroht, die ihn aus den Kindergärten warf, hat ihn nun nur eine schnelle Ausnahme vorm Corona-Bannstrahl gerettet. Um den Nikolo haben sich auch Menschen gesorgt, die gar nichts mit Kindern zu tun haben. Rituale lässt man als Letztes gehen.

Denn was man zum Ende dieses Jahres braucht, ist ausreichend Belohnung. Den Krampus gibt es schon lange nicht mehr. Das Kettenrasseln ist trotzdem immer noch zu hören.

E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2020)

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