Gebrüder Kilicdagi: Die Pioniere vom Yppenplatz

(c) Michaela Bruckberger
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Das AN-DO der Brüder Kilicdagi hat den Yppenplatz belebt. So sehr, dass mit dem Zustrom von zahlungskräftigem Publikum auch die Preise in der Region um den Brunnenmarkt stiegen. Das verärgert nun so manchen Mieter.

Vor zehn Jahren noch war die Gegend um Brunnenmarkt und Yppenplatz für junge Städter eine No-go-Area. Heute zählen Brunnenmarkt & Co. zu den angesagtesten Gegenden der Stadt. Am Treffpunkt von türkischem und österreichischem Lebensgefühl trifft sich weltoffenes, zahlungskräftiges Publikum.

Aufbereitet wurde diese Entwicklung – neben der Sanierung des Brunnenmarkts – wie so oft durch eine lebendige Lokalszene. „Wir sind Pioniere, prägten die moderne Art der Restaurants. Später kamen andere und kopierten das“, sagen die Besitzer des AN-DO auf dem Yppenplatz, Ibrahim und Sezgin Kilicdagi. Gemeinsam mit ihrem jüngeren Bruder Ergün haben sie den Yppenplatz durch ihre beiden Lokale (Café und Fischrestaurant) geprägt.

Begonnen hat alles auf dem Naschmarkt. Dort besitzt Ibrahim Kilicdagi mit zwei Cousins das Szenelokal DO-AN, einen Tee- und Gewürzladen sowie einen Gemüsestand. Das Orient & Occident (ebenfalls Naschmarkt), in dem Ibrahims Ehefrau Chefköchin ist, gehört ihm gemeinsam mit dem Obmann der Marktführer, Akan Keskin.

„Wo Arbeit ist, da sind auch wir“

Um all das aufzubauen, brauchte Ibrahim Hilfe, weshalb er seine jüngeren Brüder Sezgin und Ergün, die in Stuttgart lebten, nach Österreich holte. Doch der Aufbau war schwierig, wie Ibrahim heute rückblickend sagt. Denn sie hatten keine Ahnung von der Gastronomie, mussten alles von Grund auf lernen. Zurechtfinden im komplizierten Dschungel der Wiener Behördenwege inklusive. Der Erfolg kam erst später.

Und ein klein wenig Ärger. Denn eines stört die Brüder: das Wort Bobo. Und dass gesagt wird, ihr Restaurant wäre ein „Bobo-Lokal“. Für Ibrahim sind die Gäste des AN-DO „ganz normale Mittelschicht“. Ein Schickimicki-Lokal wollen sie nicht sein, genauso wenig wie eine Dönerbude. Und dass sie auch kein türkisches Lokal führen wollten, erkennt man an der Speisekarte, die weder türkischen Tee oder Kaffee noch andere türkische Speisen aufweist.

Ihren alternativen Weg sehen sie als das Konzept ihres Erfolgs. Das findet sich im Ambiente des Lokals, aber auch auf der Speisekarte wieder. Im AN-DO-Café, das sie im Mai 2006 eröffnet hatten, spezialisierten sie sich auf Frühstück und Salate, im angrenzenden AN-DO-Restaurant auf Fisch. Obwohl man sie für ihr Vorhaben, mitten im 16.Bezirk, ein Fischrestaurant zu eröffnen, auslachte, eröffneten sie es im Oktober 2009. Heute, so der 43-jährige Sezgin, „beneiden uns diese Leute, denn wir sind ein gefragtes Szenelokal“.

Ein weiterer Teil des Erfolgs ist die Firmenphilosophie. Denn unter den drei Brüdern gibt es keinen Chef, jeder macht, was gerade anfällt. Ihr Motto: „Wo Arbeit ist, da sind auch wir.“ Und wenn Personalmangel herrscht, sind sie sich nicht zu schade, selbst den Abwasch zu erledigen oder den Boden aufzuwischen. Dass sie dabei sieben Tage die Woche und 15Stunden am Tag arbeiten müssen, ist mittlerweile zur Selbstverständlichkeit geworden. Sezgin: „Soziales Leben ist Mangelware, denn Selbstständigkeit bedeutet auch, sein eigener Sklave zu sein.“

Kritik an hohen Mieten

Doch der Erfolg der Kilicdagis färbt nicht auf alle ab. Auf der Mauer ihres Hauses hat ein verärgerter Anrainer mit einer Spraydose folgende Frage hinterlassen: „Warum steigen die Mieten bloß so hoch?“ Denn der Aufstieg zum Szeneviertel trieb auch die Preise in die Höhe. Die Brüder weisen diese Kritik zurück, fühlen sich sogar beleidigt. Ihrer Meinung nach wurde der Yppenplatz durch ihre Lokale lebendiger denn je.

Integrationsprobleme, sagen sie, hatten die Kilicdagis keine, weder in Deutschland noch in Österreich. Aber den Rechtsextremismus habe er, Sezgin, erst in Österreich kennengelernt. Ob er denn persönlich Erfahrung damit machen musste? Nein, „aber dazu muss ich doch nur jeden Tag in die Zeitung schauen“. Dabei findet er es besonders traurig, dass es Migranten gibt, die die FPÖ wählen.

„Wenn Heinz-Christian Strache gegen Migranten wettert und ich ihm dafür auch noch meine Stimme gebe, kann etwas nicht stimmen.“ Dass die FPÖ dieses Kunststück bei vielen Wählern trotzdem schafft, dafür zollt Sezgin Kilicdagi der Partei aber Respekt.

Ob denn auch Prominente in ihr Lokal kommen? „Wer ist prominent?“, fragt Sezgin trotzig und versucht damit noch einmal, das Image eines Bobo-Lokals abzuschütteln. Beide Brüder betonen dann unisono: „Bei uns ist jeder willkommen, solange er die Hausordnung und die österreichische Lokalordnung respektiert.“

AUF EINEN BLICK

Die drei Brüder Ibrahim (44), Sezgin (43) und Ergün (36) Kilicdagi kamen aus Deutschland und gründeten gemeinsam das AN-DO-Café und das AN-DO-Fischrestaurant auf dem Yppenplatz. Mit ihrer modernen Art der Gastronomie prägten sie das Publikum des gesamten Ottakringer Grätzels.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2010)

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