Viele wissen um das Bizarre an den Wahrnehmungen, die sie empfinden.
Phantomschmerz

Phantomschmerz – das unbekannte Land

„Mit einem Bein bereits im Himmel“: Was geht vor sich, wenn etwas schmerzt, wo körperlich nichts mehr ist? Phantomwahrnehmungen: Der Anästhesist Kai Uwe Kern nähert sich dem Phänomen Phantomschmerz medizinisch und literarisch.

Science is not only a disciple of reason but also one of romance and passion.“ Dieser Satz von Stephen Hawking kann mit gutem Gewissen dem Buch des Facharztes für Anästhesie und Allgemeinmedizin, Kai Uwe Kern, über Phantomwahrnehmungen vorangestellt werden.

Wenn Ärztinnen und Ärzte über ihre Entdeckungen, Fragen, Zweifel und Beobachtungen nachdenkend schreiben, werden medizinische Texte ein Stück Literatur. Wenn der Mensch hinter seiner Krankheit sichtbar wird, verblüfft, erstaunt und um das Verstehen seiner ganzen Person, nicht nur seiner Symptome, gerungen wird. Mag auch die Literatur Sigmund Freuds, Oliver Sacks' und Irvin Yaloms noch einen Schritt weitergehen, Kerns Buch geht auch in diese Richtung. Kern nimmt die Leserin und den Leser mit auf eine Reise in ein unbekanntes Land. Phantomschmerzen – Schmerzen aus einem nicht mehr vorhandenen Körperteil – sind den meisten Leserinnen und Lesern sicher bekannt, aber andere Gefühle aus nicht mehr Vorhandenem wirken geisterhaft und werden selbst von Ärztinnen und Ärzten kaum beachtet. Ohne den Laien zu überfordern, versieht Kern seinen Text mit gut lesbaren, wissenschaftlichen Grundlagen zu diesen seltsamen Phänomenen, und seine Patientengeschichten sind ein großer Reichtum.

Als ich selbst, noch als unerfahrene Ärztin, eines Tages beauftragt wurde, eine Infrarotbox – eine Art größerer Holztunnel, der wärmende Strahlung abgibt – zu einem Patienten mit Phantomschmerzen nach Beinamputation zu bringen, rief mir die Schwester hinterher: „Aber über das fehlende Bein stellen!“ Ich war verwirrt, tat aber, wie mir geheißen, und stellte zur größten Zufriedenheit des Patienten die Box auf die leere Stelle in seinem Bett, an der ich sein verlorenes Bein imaginierte.

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