Gastkommentar

Hat Amerika ausgeträumt?

Die US-amerikanische Hegemonie steht an einem Punkt des Niedergangs – und China ist bereit zu übernehmen.

6.Jänner 2021. Der Kongress tritt im Kapitol zusammen. Die Wahl Joe Bidens zum nächsten US-amerikanischen Präsidenten soll bestätigt werden. Plötzlich bricht Chaos aus.


Hunderte fanatische Anhänger Donald Trumps stürmen das Gebäude. Sie zerschlagen Fenster und Türen, prügeln sich mit Sicherheitskräften. Sieben Menschen sterben. Eine wütende Meute stürmt das Herz der amerikanischen Demokratie.
Jene amerikanische Demokratie, die einst so stark war, dass zu ihrer weltweiten Verbreitung Kriege geführt wurden. Jene Demokratie, deren globale Durchsetzung der Politikwissenschaftler Francis Fukuyama schon als fix und somit als „Ende der Geschichte“ voraussah – und die nun so schwach ist, dass sie nicht einmal mehr den rechtmäßigen Übergang von einem republikanischen zu einem demokratischen Präsidenten aushält. Es scheint, als wäre die amerikanische Hegemonie, die die Welt seit 1945 prägte, an einem Punkt des Niedergangs angelangt.

Joe Biden übernahm am 20. Jänner ein Land, das gesellschaftlich tief gespalten ist und in dem immer mehr Menschen unter prekärsten Umständen leben müssen. In dem die Gegensätze zwischen Arm und Reich extremer kaum sein könnten. Die USA leiden unter massiven Staatsschulden, einer maroden Infrastruktur und einer teilweise brachliegenden Wirtschaft. Und sie stecken tiefer als andere in der Covid-19-Krise.

Schnittschwenk China: Dort wird die kommunistische Partei heuer 100 Jahre alt. Parteichef Xi Jinping ist mächtiger denn je und hat das Land fest im Griff. Seine Kritiker sind von schweren Repressionen betroffen, aber der Großteil des Volkes steht bedingungslos hinter ihm. Experten gehen davon aus, dass er seine Machtposition in der Partei weiter ausbauen wird. Seit 2012 propagiert Xi Jinping sein Gegenmodell zum American Dream – den chinesischen Traum. China war lange das mächtigste Reich der Welt und soll durch die Umsetzung dieser Idee zu seiner alten Macht zurückfinden. National und global. Die Voraussetzungen dafür sind gut.

China verfügt über eine hochmoderne Infrastruktur. Es gibt eine wachsende, kaufkräftige Mittelschicht, die einen großen Markt darstellt. Das Land bewegt sich rasend schnell weg vom Export von Billigprodukten, hin zu einer diverseren Wirtschaftsstruktur. Mittlerweile ist China die größte Volkswirtschaft der Welt. Und auch als Börsenstandort wird China immer mächtiger. Zusätzlich hat sich China unter Xi Jinping zum Ziel gesetzt, im globalen Machtgefüge nicht mehr bloß Mitspieler zu sein. Das Land will zum Mannschaftskapitän aufsteigen. Zunehmender Einfluss in wichtigen globalen Organisationen belegt den Erfolg dieser Strategie.

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