Papierwarengeschäft, Lower East Side, 1940er-Jahre.
Zeichen der Zeit

„Mein Englisch hat nicht existiert“

„Keine Katze hat sich damals um uns gekümmert“ – Trudy und Josef haben in New York eine neue Heimat gefunden. Sie stammen aus jüdischen Wiener Mittelklassefamilien und wurden durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten aus ihren behüteten Kindheiten gerissen.

Ich bin Optimist!“, erzählt Josef, 96, mit einem fröhlichen Lachen. „Ich habe die Zeit, die ich hinter Stacheldraht verbracht habe, immer als eine ,gute Sache‘ in meinem Leben gesehen.“ Emigration und Internierung führten ihm den Wert von Anpassungsfähigkeit vor Augen. „Einige Freundschaften, die im Lager geschlossen wurden, dauerten ein Leben lang.“ 1939 floh Josef im Alter von fünfzehn Jahren aus Wien mit einem Kindertransport und war daraufhin jahrelang in Großbritannien und Kanada interniert. Er musste in dieser Zeit harte körperliche Arbeiten verrichten. Schule und Ausbildung zogen ihn daher in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft magisch an. Er wurde renommierter Physiker und Molekularbiologe, forschte 30 Jahre lang in den Bell Laboratories und wurde Professor an der Mount Sinai Hospital School of Medicine in New York. Josef ist Verfasser einer Autobiografie, „Flucht und Zuflucht“, und veröffentlichte zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten, Artikel und zwei Bücher über Albert Einstein.

Trudy, 95, erinnert sich mit Schaudern an ihre ersten Schultage in Manhattan im Jahr 1939, als sie dreizehn Jahre alt war. „Keine Katze hat sich damals um uns gekümmert. Ich war ein scheues Kind. Wie sich herausgestellt hat, hat mein Englisch nicht existiert.“ Trudy stammt aus einer nicht-religiösen jüdischen Wiener Bankiersfamilie, die von Wien nach New York emigrierte, nachdem der Großvater monatelang in Dachau interniert gewesen war. Scheu wirkt sie heute gar nicht mehr. Sie diskutiert gern über Politik und ist Gastgeberin eines wöchentlich in Manhattan stattfindenden Stammtisches für deutschsprachige Holocaustüberlebende.

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