Damals

Ernste Worte zum Monarchen

Wien, 23. Februar 1871. Es gibt Leute, die erst einen Schlag auf den Kopf erhalten haben müssen, um zur Erkenntnis der feindseligen Absicht eines Gegners zu gelangen.

Wenn der Minister-Präsident Graf Hohenwart gesagt hätte: „Es ist die Absicht der kaiserlichen Regierung, Oesterreich eine föderative Gestaltung zu geben, den Reichsrath durch die Landtage zu ersetzen, die slavische Mehrheit der Bevölkerung zur Herrschaft zu bringen, die kirchlichen Fragen in einer die Clericalen befriedigenden Weise zur Lösung zu bringen“ – wir glauben, die Reichsraths-Majorität hätte beschlossen, sofort eine Adreß-Commission niederzusetzen, ernste Worte an den Monarchen zu richten, und hätte dem Ministerium, welches dem Reichsrathe keine Abdication zumuthet, in einem Mißtrauensvotum seine Gegenliebe erklärt.

So hat Graf Hohenwart nicht gesprochen, d. h. nicht in diesen klaren, offenen, unzweideutigen Worten, und darum hat der Reichsrath nicht so gehandelt. Graf Hohenwart hat ja nur gesagt, daß er die bestehenden Einrichtungen, welche die Autonomie der einzelnen Länder beschränken, abändern wolle. Er hat ja nur gesagt, daß der Reichsrath die ihm vorbehaltenen Angelegenheiten an die Landtage abgeben solle, daß diese die Gesetzgebungs-Initiative erhalten sollen, welche bisher der Reichsrath hatte; er hat ferner in Aussicht gestellt, die vermehrte legislative Gewalt der Landtage um eine größere administrative Gewalt der Landesbeamten vermehren zu wollen, den Landtagen durch „mehrere Betheiligung der Bevölkerung“ ein größeres Ansehen zu geben, während dem Reichsrathe die „mehrere“ Betheiligung der Bevölkerung und das verstärkte Ansehen nicht zugute kommen soll.

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