Im Winter wird gemächlich gejoggt. Im Frühling schnell gelaufen.
Vieles im Leben ist Saisonen unterworfen. In der Küche ist das naturgemäß so, in der Mode sind die wechselnden Trends zur wirtschaftlichen Gesetzmäßigkeit geworden und auch im Sport hält man sich meist an Jahreszeiten. Nur laufen kann man immer. Es hat im Frühling, Sommer, Herbst und Winter Saison.
Im vergangenen Winter konnte ich mich oft aber doch eher für ein Krafttraining im Wohnzimmer als für eine Laufrunde vor der Türe motivieren. Etwas widerwillig zwängte ich mich dennoch immer wieder in Zwiebellook und Thermohosen und joggte durch die Gassen. Es waren (manchmal längere) langsame Dauerläufe. Ich brauchte etwas Zeit, um beim und vor allem auch mit dem Laufen warm zu werden, denn die richtige Freude an der Bewegung setzte oft nach Kilometern und manchmal überhaupt erst zurück unter der warmen Dusche ein. Der Stolz nach so einem Winterlauf könnte jedenfalls kaum größer sein. Und glücklicherweise baut man gerade bei diesen gemächlichen Einheiten die nötige Grundkondition auf.
Bereits an den ersten Frühlingstagen sah das völlig anders aus. Die Sonnenstrahlen locken einen weg von der Online-Fitnessstunde in die Natur hinaus. Es keimt lange vor der Laufrunde die Vorfreude auf. Dann wird nicht einfach gejoggt, sondern richtig gelaufen – mit ein paar Haken im Takt der Musik, mit Tempiwechsel zwischendurch und einem Sprint zum Abschluss. Diesmal, verspricht man sich, wird einiges investiert, um richtig fit zu sein. Die Kondition wird man heuer im Sommer zwar vielleicht nicht für große Laufveranstaltungen, aber für lange Berg- und Mountainbiketouren brauchen.
Schon bald wird aber der Herbst ins Land ziehen – und mit ihm die Gefahr, beim Joggen wieder etwas leiser, also langsamer, zu treten. Denn der Laufsport mag zwar immer Saison haben. Motivation und Gefühl dabei sind aber stark dem Wandel der Jahreszeiten unterworfen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2021)