Energieforschung

Eine Stadt bringt frischen Wind in ihr Fernwärmenetz

Windpark am Neusiedler See Oesterreich Burgenland Neusiedler See Nationalpark Illmitz wind farm
Windpark am Neusiedler See Oesterreich Burgenland Neusiedler See Nationalpark Illmitz wind farm(c) imago/blickwinkel (W. Willner)
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Wie man grüne Energie optimal nutzen kann, zeigt man in Neusiedl am See vor: Mit Windkraft kann je nach Bedarf Strom, Wärme oder Wasserstoff lokal erzeugt werden. Das unterstützt den von der Politik angestrebten Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe.

Das Burgenland ist reich an Windkraftanlagen. Sie produzieren in einer der windstärksten Regionen Europas rund eine Milliarde Kilowattstunden umweltfreundliche Energie pro Jahr – weit mehr, als lokal verbraucht wird. Bei akutem Überangebot werden die Anlagen üblicherweise abgeschaltet, um nicht Kosten zu verursachen. Doch kann man die überschüssige Energie durchaus anderweitig nutzen, erklärt Lukas Gnam von der Forschung Burgenland GmbH das Ziel des Projekts „Hybrid DH Demo“. Es wurde von der Initiative „Green Energy Lab“ ins Leben gerufen und soll gemeinsam mit dem bereits mehrfach ausgezeichneten Projekt „power2heat“ die Stadt Neusiedl zu einem Best-Practice-Beispiel für ressourcenschonendes und nachhaltiges Energiemanagement machen. Ziele sind die optimale Nutzung erneuerbarer Energien und die Reduktion von klimaschädlichen Schadstoffen.

So kann man den nicht benötigten Windstrom zur Erzeugung von Wärme nutzen. „Diese lässt sich gut und auch billiger speichern als Strom“, sagt Gnam. Bei Bedarf speist man sie dann ins lokale Fernwärmenetz ein. Dafür wird die Windenergie über eine vor zwei Jahren im Projekt „power2heat“ unter Beteiligung der Energie Burgenland errichtete Direktleitung zum Neusiedler Energy Hub transportiert, in dem Strom-, Erdgas- und Fernwärmenetz zusammenlaufen. Die Umwandlung erfolgt dort mithilfe von Hochleistungswärmepumpen. Für die Speicherung wurde ein bestehender Pufferspeicher erweitert. Die Energie aus Windkraft entlastet so das Biomasseheizwerk, das seit 15 Jahren für die Erzeugung der Fernwärme in Neusiedl verantwortlich ist.

Vorhersagen für Verbrauch der Region

Es gibt aber auch Zeiten, zu denen sehr viel Fernwärme benötigt wird – mehr, als das Heizwerk liefern kann. Dann wurde bisher zusätzlich ein Gaskessel angeworfen. Nun kann man die Spitzenlasten mit Wärme aus Windkraft abfangen und im Fall von Flauten auf den Speicher zugreifen. Das reduziert den Einsatz fossiler Energieträger und verringert CO2-Emissionen. Angedacht, aber noch nicht umgesetzt ist zudem die Möglichkeit, den reichlich vorhandenen Windstrom zur Erzeugung von Wasserstoff mittels Elektrolyse zu nutzen.

„Bei der Sektorkopplung, also der Verknüpfung unterschiedlicher Energiesektoren, handelt es sich um eine bereits bewährte Methode, die es erlaubt, flexibel auf den momentanen Bedarf zu reagieren“, erklärt der Experte. „Das Besondere am Projekt in Neusiedl ist, dass hier die Energie aus lokalen erneuerbaren Ressourcen lokal verbraucht wird und bereits bestehende Anlagen eingebunden sind.“ Um das System zu optimieren, versuchen die Wissenschaftler nun, die Prognoseverfahren weiterzuentwickeln, mit denen man den Energiebedarf der Region vorhersagen kann. Das erlaubt einen zielgenaueren Einsatz der Windkraft.

Daneben arbeiten die Forscher bei „Hybrid DH Demo“ an der Erstellung neuer Geschäftsmodelle zur Vermarktung der Energie und machen dabei aus der Not eine Tugend: Die Förderungen für die burgenländischen Windkraftanlagen laufen derzeit nach und nach aus, was, wie manche befürchten, die Wirtschaftlichkeit dieser nachhaltigen Art der Energieerzeugung gefährdet. „Wir wollen alle Stakeholder an einen Tisch holen, denn um das, was technisch machbar ist, tatsächlich umzusetzen, bedarf es einer breiten Akzeptanz“, weiß Gnam.

Aus dem Grund sind unter anderem Sozialwissenschaftler in das Projekt eingebunden, die beim Abbau allfälliger „subjektiver, emotionaler Hürden“ behilflich sein sollen. Die Energieträger-übergreifende Nutzung erneuerbarer Ressourcen, wie sie in Neusiedl umgesetzt wird, unterstützt die nationalen Bestrebungen zum Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe. Beim vor wenigen Tagen präsentierten Gesetzesentwurf zum Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbarer Energie wurde die Forcierung von Windkraft neben der verstärkten Nutzung der Fotovoltaik als vorrangiges Ziel ausgegeben. Bis zum Jahr 2030 soll demnach der gesamte Strom für Haushalte, Verkehr und andere Anwendungen aus erneuerbaren Quellen kommen.

IN ZAHLEN

1400 Windräder stellen derzeit in Österreich ein Energiepotenzial von rund sieben Milliarden kWh bereit.

11
Prozent des heimischen Stromverbrauchs werden demnach aktuell in Österreich durch Windkraft gedeckt.

26 Prozent
des Bedarfs könnte Windstrom decken, würden bis 2030 pro Jahr rund 120 Windkraftanlagen errichtet, rechnet die IG Windkraft vor. Im vergangenen Jahr wurden rund 460 Millionen Euro in die Errichtung von 74 neuen Windkraftwerken investiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2021)

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