Gastbeitrag

Welche Schäden Demonstranten ersetzen müssen

Anti-Abschiebungs-Demo sorgte für Sperre der Flughafenautobahn
Anti-Abschiebungs-Demo sorgte für Sperre der FlughafenautobahnAPA/BÜNDNIS BLEIBERECHT FÜR ALLE
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Wer an einer nicht angemeldeten und daher rechtswidrigen Kundgebung teilnimmt, kann zu Schmerzengeld und zum Ersatz materieller Schäden herangezogen werden.

Waren Sie am 30. März 2021 im Stau auf der A4? Wenn nicht, dann haben sie eventuell in den Medien davon gelesen. Die nicht angemeldete Versammlung samt Blockade der A4 rund um den Flughafen Schwechat sorgte bei vielen Autofahrern für Ärger und lange unfreiwillige Wartezeit. Lässt man die eigene persönliche wie politische Meinung zum Grund der Demonstration außen vor, so bleibt das Faktum, dass die Demonstration rechtswidrig war, weil sie nach dem Versammlungsgesetz nicht angemeldet wurde.

Das löst die Frage aus, ob ihre Folgen ersatzfähig sind, sprich: Schadenersatz verlangt werden kann. Eine immer wieder geforderte ausdrückliche gesetzliche Anordnung der Haftung für Demonstrationsschäden gibt es bislang in Österreich nicht. Nach den allgemeinen schadenersatzrechtlichen Regeln gilt, dass alle rechtswidrig und schuldhaft gemeinsam Handelnden, die einen Schaden verursachen, auch gemeinsam, also solidarisch, haften. Inhaltlich gilt in den Grundzügen Folgendes:

Schmerzengeld für Körperverletzungen

Schmerzengeld und Heilungskosten für erlittene Körperverletzung sind ersatzfähig. Dazu dürfte es am 30. März 2021 nicht gekommen sein. Würde aber jemand von Demonstranten verletzt werden oder im wartenden Auto einen Herzinfarkt erleiden und wegen des entstandenen Staus letztlich nicht rechtzeitig ärztlich versorgt werden und sterben, dann bestehen Schadenersatzansprüche. Bei einer Autobahnblockade sind diese Fälle wohl zumindest grob fahrlässig verursachte adäquate Folgen, sodass alle daraus entstehenden finanziellen Schäden samt Trauerschmerzengeld zu ersetzen wären.

Vermögensschäden sind ersatzfähig

Reine Vermögensschäden sind bei Schutzgesetzverletzung und vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung iSd § 1295 Abs 2 ABGB ersatzfähig. Zum einen war die Demonstration illegal, zum anderen liegt das von der Rechtsprechung verlangte krasse Missverhältnis zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen hier auf der Hand: Es ist nicht einzusehen, wieso gänzlich unbeteiligte Personen ohne Vorwarnung und daher ohne Möglichkeit, zu reagieren, zweieinhalb Stunden Wartezeit auf Grund einer illegalen Demonstration in Kauf nehmen müssen.

Wer also einen messbaren Vermögensnachteil durch den Stau erlitten hat, kann ihn von allen rechtswidrig Handelnden verlangen. Darunter fallen zB Kosten neuer Flugtickets wegen eines versäumten Fluges, die die Blockierer zumindest mit Eventualvorsatz (der Handelnde hält etwas ernstlich für möglich und findet sich damit ab, Anm.) herbeigeführt haben: Schließlich war der Zweck der Blockade, den Flughafen unerreichbar zu machen, und der hat alle getroffen. Darunter fallen aber auch verpasste Erwerbsgelegenheiten wie entgangene (Zeit-) Honorare für Arbeiten, die der Stau verunmöglicht hat.

Kein Ersatz für verfallene Tickets

Rein ideelle Schäden sind hingegen bislang nicht ersatzfähig, weil die Rechtsprechung hier sehr zurückhaltend ist, um ein Ausufern von Schadenersatzansprüchen zu vermeiden. Daher sind auch nicht verursachte, sondern nur "frustrierte" weil nachträglich nutzlos gewordene Aufwendungen (zB Kosten eines Mietwagens, der im Stau steht und nicht verwendet werden kann; die Kosten des verfallenen Flugtickets) nicht ersatzfähig.

Der vorstehende Überblick ist stark vereinfacht und kann Beratung im Einzelfall nicht ersetzen. Generell gilt: Schadenersatzrecht ist im Detail kompliziert, was viele – vor allem: nicht Rechtsschutzversicherte – schon per se davon abhält, gerechtfertigte Ansprüche geltend zu machen. Das ist unbefriedigend, sodass eine gesetzliche Regelung des Ersatzes von Demonstrationsschäden wünschenswert wäre.

Zum Autor

Dr. Peter Konwitschka ist Partner bei Schönherr Rechtsanwälte GmbH und Co-Autor des Kapitels "Grundbegriffe des Schadenersatzrechts" im Versicherungshandbuch, herausgegeben von der Bildungsakademie der Österreichischen Versicherungswirtschaft.

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