E-Mobilität

Wie E-Autos im Wohnpark ihren „Tank“ füllen

In einem Linzer Großversuch stieg im Vorjahr jeder zweite Bewohner einer Wohnsiedlung für ein halbes Jahr auf ein Elektroauto um.
In einem Linzer Großversuch stieg im Vorjahr jeder zweite Bewohner einer Wohnsiedlung für ein halbes Jahr auf ein Elektroauto um. (c) imago images/Fotostand (Fotostand / Wagner via www.imago-images.de)
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In einem Linzer Großversuch stieg im Vorjahr jeder zweite Bewohner einer Wohnsiedlung für ein halbes Jahr auf ein Elektroauto um. Getankt wurde am eigenen Garagenstellplatz, ein Algorithmus regelte die Verteilung der Energie fair. Jetzt gibt es erste Ergebnisse.

Renaults Elektrokleinwagen Zoé an gefühlt jeder zweiten Ecke. Dazu der eine oder andere elektrisch angetriebene Nissan Leaf im Straßenbild. Wer vorigen Sommer rund um den Theresia-Brandl-Weg im Süden von Linz Zeuge einer Häufung von E-Fahrzeugen war, saß keiner Täuschung auf. Denn selbst die Einschränkungen aufgrund des Coronavirus konnten das vom Klima- und Energiefonds geförderte Projekt „Urcharge“ nicht stoppen. Für ein halbes Jahr diente eine Siedlung des Bauträgers Neue Heimat Oberösterreich – fünf Wohn- und 26 Reihenhäuser – als Austragungsort eines Großversuchs zur E-Mobilität. Ziel des mit 1. Juni 2021 beendeten Projekts war, Erkenntnisse zu deren Alltagstauglichkeit zu gewinnen.

Niemand soll zufällig bevorzugt werden

Jasmine Ramsebner und Albert Hiesl vom Institut für Energiesysteme und elektrische Antriebe der TU Wien lieferten die durch eine Modellrechnung gestützte These: Mit einer vergleichsweise niedrigen Ladeleistung je Fahrzeug – einem Kilowatt oder geringfügig darüber – wären die nationalen Klimaziele 2030 zu erreichen, errechneten die TU-Wien-Forscher. Fast jedes dritte Auto werde dann elektrisch unterwegs sein. Ob der großvolumige Wohnbau allerdings mit attraktiven Ladeangeboten für die Massen punkten kann, galt es zu beleuchten. Daher war es ein Glücksfall, dass sich 51 von 106 Haushalten der Linzer Siedlung, mit günstigen Konditionen bei der Betankung der bereitgestellten Fahrzeuge belohnt, dem Feldtest anschlossen. Insgesamt wurden also 51 Wandladestationen an den Garagenstellplätzen installiert. Es galt herauszufinden, wie eine auf neue Weise geregelte Ladeinfrastrukur trotz vieler gleichzeitiger Ladevorgänge die optimale Ladeleistung bereitstellt. „Und wie eine Mehrbelastung des Stromnetzes zu vermeiden ist“, sagt Ramsebner.

Damit ist das Projekt – mit an Bord waren der Energieversorger Linz AG sowie der Ladelösungsanbieter Keba – hierzulande ziemlich einzigartig. Denn 2019 markierten 16 solcher Ladestationen, Wallboxen genannt, die Obergrenze für ein kooperatives Ladeszenario, „bei dem eine Station das Lastprofil auch aller weiteren Fahrzeuge optimiert“, berichtet Hiesl. Etwa, um zu verhindern, dass ein Fahrzeug mit voller Leistung Strom zieht, während ein anderes in Spitzenzeiten leer ausgeht. Oder um eine gröbere Netzüberlastung zu vermeiden. Im Projekt, erzählt Keba-Produktmanager Andreas Wimmer, sei nun eine neuartige Steuerung entwickelt worden. Ihre Besonderheit: Sie ist nicht mehr in den Ladepunkt integriert, sondern lässt sich sicher in einem Schaltschrank verwahren. Zugleich wurde ein Algorithmus weiterentwickelt. Dieser verteilt die Energie zwischen den im Feldversuch 51 angebundenen Ladepunkten fair. „Es soll niemand zufällig bevorzugt werden“, sagt Wimmer.

Die Netzlast wird in die Nacht verlagert

in Zahlen

Die Bilanz des Feldversuchs, in den arrivierte Fahrerinnen und Fahrer genauso involviert waren wie ein Führerschein-Neuling und bei dem sich Familienmitglieder desselben Haushalts die Zeit am Steuer des E-Autos häufig aufteilten, kann sich sehen lassen.
Der Ladekomfort selbst bei geringer Ladeleistung sei durch ein verbessertes Lastmanagement hoch. „Ein massiver Netzausbau im Wohngebiet lässt sich damit sehr lang vermeiden“, sagt TU-Forscherin Ramsebner. Die Gefahr von Netzspitzen und möglicherweise teuren Stromimports lasse sich durch Ansätze wie die Laderotation – abwechselndes 15-minütiges Aussetzen des Ladens in der Fahrzeugemeinschaft – abwenden. „Die Netzlast wird dabei ohne Komforteinbußen in die Nacht hinein verlagert“, sagt Keba-Experte Wimmer.

Ein radikales Umdenken – auch das hat sich gezeigt – braucht es allerdings bei den Lenkerinnen und Lenkern. Sie müssen das Fahrzeug wie selbstverständlich an die Ladeeinheit anbinden und nicht nur bei Ladewunsch. Andernfalls schwinde die Entscheidungsgrundlage des Algorithmus, heißt es im Projektteam. Dort ist das nächste Ziel bereits abgesteckt: Das Automatisierungsunternehmen Keba wird die Resultate des Feldversuchs in die Produktentwicklung überleiten. 280.000 Kilometer legten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Feldtests im Projekt „Urcharge“ insgesamt zurück. Die E-Autos wurden im Schnitt alle vier Tage geladen. Die Ladedauer betrug knapp sechs Stunden.

80 Prozent der Teilnehmer einer begleitenden Umfrage gaben an, nie etwas vom Lastmanagement und einer längeren Ladedauer bemerkt zu haben. 55 Prozent der Befragten gaben an, den Akku nur zu laden, wenn er fast leer ist. Jeder Zehnte steckte das Auto stets beim Parken an.

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