Interview

„Brauchen Steuerentlastung und kein Gold Plating“

(C) PwC Österreich
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PwC-Senior-Partner Peter Perktold fordert ein faires Spielfeld für europäische Unternehmen im globalen Wettbewerb, etwa durch Beseitigung faktischer Steuervorteile für US- oder asiatische Unternehmen.

Wir sehen Licht am Ende des Pandemie-Tunnels: Wie ist die Lage für Österreichs Wirtschaft, vor allem im Vergleich zu anderen großen EU-Volkswirtschaften?

Peter Perktold: Laut Prognosen wie dem Global Economy Watch von PwC wird die Weltwirtschaft bis Ende 2021, Anfang 2022 wieder Vorkrisenniveau erreichen. Die Erholung wird in den verschiedenen Ländern, Branchen und Einkommensniveaus aber ungleichmäßig verlaufen. Die Wirtschaft in China etwa steht jetzt bereits besser da als vor der Pandemie. Für andere hoch entwickelte Volkswirtschaften ist eine Erholung bis Ende des Jahres auf ein Vorkrisenniveau eher unwahrscheinlich. Das betrifft insbesondere stärker dienstleistungsbasierte Volkswirtschaften wie Großbritannien, Frankreich und Spanien oder jene mit Exportfokus wie Deutschland oder Japan. Die letzten Prognosen für Österreich gehen bekanntlich schon für 2021 wieder von einem BIP-Wachstum von etwa vier Prozent aus.

Welche Auswirkungen sind konkret für Österreichs Firmen schon sichtbar?

Durch die Pandemie haben sich Absatzmärkte und Lieferketten verändert. Es gibt neue Technologien und Marktplayer, veränderte Kundenerwartungen, schnellere Abläufe, komplexere Themen und Bedarf nach mehr Effizienz. In allen Bereichen gilt es, bisherige Prozesse zu evaluieren und neu zu denken. Dabei sind vor allem Maßnahmen zur Restrukturierung sowie Erneuerung und langfristige Strategien im Bereich Digitalisierung und Nachhaltigkeit essenziell. Auch die Cyberkriminalität rückt deutlich stärker in den Fokus, die Verlagerung ins Home-Office und auf digitale Plattformen hat Cyberangriffen leider neuen Aufwind verliehen. Hier besteht in Österreich großer Handlungsbedarf.

Österreichs Industrie steht im Vergleich zu vielen anderen Branchen schon wieder gut da. Aber die internationalen Lieferketten und die weltweite Lagerlogistik laufen nicht rund. Bis wann wird dieser Engpass überwunden und werden Waren wie z. B. Mikrochips wieder ausreichend verfügbar sein?

Die Erholung der Märkte findet sehr unregelmäßig statt und ist vor allem vom Erfolg der Corona-Schutzimpfungen und der Frage günstiger wirtschaftspolitischer Rahmenbedingungen in den großen Volkswirtschaften abhängig. Davon betroffen sind auch die internationale Logistik und der globale Warenverkehr. Insgesamt zeigt die Pandemie die Anfälligkeit von Lieferketten in einem noch nie dagewesenen Ausmaß. Lieferketten werden an die neuen Gegebenheiten angepasst und dabei robuster, nachhaltiger und teilweise regionaler gestaltet werden. Die Situation wird sich in absehbarer Zeit wieder normalisieren.

Welche steuerpolitischen Notwendigkeiten sehen Sie für Österreich und die EU, um unseren Wirtschaftsstandort und die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Amerika und Asien sowie europäischen Billiglohnländern zu stärken?

Ein wichtiger Punkt ist die steuerliche Incentivierung standortfördernder Maßnahmen, insbesondere rund um die Förderung als Technologiestandort etwa im Bereich F&E und rund um die Förderung hochwertiger Ausbildung. Ein anderer Punkt ist die schon länger bekannte Forderung nach steuerlicher Entlastung des Faktors Arbeit.

Zudem ist wichtig, dass internationale Richtlinien maßvoll umgesetzt werden, hier sollte es zu keinem Gold Plating kommen – also keiner unerwünschten Übererfüllung von EU-Mindeststandards. Eine weitere Maßnahme ist die Vermeidung von Doppelbesteuerung, sowohl in der Steuergesetzgebung als auch im Steuerverfahren. Und letztendlich wäre es auch wichtig, ein faires Spielfeld für europäische Unternehmen im globalen Wettbewerb zu schaffen, etwa durch die Beseitigung faktischer Steuervorteile für US- oder asiatische Unternehmen.

Ein großes Thema für die Industrie ist auch die Erreichung der Klimaziele, Stichwort: Dekarbonisierung. Sind wir da auf einem guten Weg? Oder ist das für unsere Unternehmen nur kostspielig?

Aufgrund der Covid-19-Situation haben sich hierzulande zumindest kurzfristig die Prioritäten verschoben. Österreichische CEOs nehmen den Klimawandel im Vergleich zu anderen Bedrohungen wie der Pandemie, Überregulierung und Cyberangriffen weniger als unmittelbare Bedrohung für das Wachstum ihres Unternehmens wahr. Nach und nach kommen Umweltschutz und Klimawandel auf der Agenda vieler Unternehmen aber wieder nach oben. Aus meiner Sicht ist das sehr wichtig, denn ESG-Faktoren – Environment, Social, Governance – sind essenziell für den langfristigen wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen, und sie sind ein Wachstumstreiber. Unternehmen sollten ESG-Risken und -Chancen jedenfalls in der Unternehmenssteuerung berücksichtigen, um nachhaltig erfolgreich zu sein.

Der Konjunkturmotor ist vielerorts angesprungen. Worin sehen Sie unmittelbar die großen Herausforderungen für die Wirtschaft, die Unternehmen?

Unternehmen sollten sich auf ein nachhaltiges und inklusives Wachstum fokussieren und Vertrauen bei ihren Stakeholdern aufbauen, denn deren Erwartungen sind höher als je zuvor. Dazu braucht es konkrete Pläne, und es müssen vor allem Bereiche bedacht werden, die besonders betroffen sind, wie etwa die Abhängigkeit und Anfälligkeit von Lieferketten. Erfolgreich wird sein, wer kurzfristig seine Logistik und Lieferketten an die neuen Gegebenheiten anpasst und langfristig das Vertrauen aller Stakeholder in das Unternehmen aufrechterhält.

Ein Knackpunkt für den Erfolg und das Wachstum der heimischen Unternehmen ist das Finden von genügend Arbeitskräften. Vor allem Facharbeitskräfte und IT-Spezialisten sind gefragt. Wie schaffen wir es, diese Jobs zu besetzen?

Unternehmen müssen Talente gewinnen und an sich binden: Eine strategische Ausrichtung rund um Innovation, Transformation, Technologie und Digital Upskilling ist dabei ebenso notwendig wie wettbewerbsfähige Vergütungsstrukturen, um Schlüsseltalente langfristig zu halten. Darüber hinaus sollte auch die Weiterqualifizierung der bestehenden Belegschaft stärker in den Fokus rücken. Betriebe sollten sich damit auseinandersetzen, welche Kompetenzen in Zukunft gebraucht und wie diese beispielsweise durch sogenanntes Upskilling aufgebaut und ausgebaut werden können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.06.2021)

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