Datenschutz und Cybersecurity-Regeln europäischer Prägung sollen der EU einen Wettbewerbsvorteil bescheren.
Die Wirtschaftsstruktur in Europa ist kleinteilig. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) machen laut Daten des Europäischen Parlaments rund 99 Prozent aller Unternehmen in der EU aus. Einer verstärkten Inanspruchnahme von Cloud-Services kommt in dieser Gemengelage laut Experten eine besondere Bedeutung zu, wenn es in Zeiten der allumfassenden Digitalisierung darum geht, für Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft zu sorgen. Ins Spiel kommt damit auch der heiß diskutierte Datenschutz, der von manchen als notwendiges Übel betrachtet wird – und dem der zweifelhafte Ruf vorauseilt, innovationshemmend zu wirken.
Wettbewerbsvorteil
Helmut Fallmann, Mitgründer und Mitglied des Vorstands des Linzer Softwareunternehmens Fabasoft, kennt die Gründe für diese Skepsis: „Das Vorurteil, wonach der Europäische Datenschutz einer zündenden Innovationsdynamik abträglich sei, ist zum einen eine Schutzbehauptung von IT-Giganten, die feststellen müssen, dass unser wertebasierter EU-Datenschutz ihnen bisherige Schutznischen für das Ausleben von Marktdominanz nimmt. Zum anderen hält das Argument bei manchen als Ausrede her, um längst überfällige digitale Modernisierungsprojekte weiter aufschieben zu können.“
Für Fallmann steht hingegen fest, dass gerade höchster Datenschutz den Wettbewerb in der Digitalökonomie Europas auf eine einheitlich faire Basis stellt: „Datenschutz und Cybersecurity- Rahmenbedingungen europäischer Prägung erzeugen einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil: Nur mit Kundenvertrauen in sichere digitale Dienstleistungen können im großen Binnenmarkt der EU mit innovativen Business-Modellen neue Marktanteile erobert werden.“
EU Cloud Code of Conduct
In Europa hat man mit der Gestaltung der Rahmenbedingungen der Digitalisierung jedenfalls längst begonnen. Umfassende Richtlinien zur Verarbeitung von Kundendaten in der Cloud, die im Einklang mit den Bestimmungen der DSGVO (Datenschutz- Grundverordnung) stehen, bietet der sogenannte EU Cloud Code of Conduct for Cloud Service Provider, kurz CoC. Der von der Europäischen Kommission initiierte und in akribischer Detailarbeit entwickelte Code hat sich bereits zu einer breit akzeptier-ten „Marke“ in der europäischen Cloud-Industrie entwickelt. „Der Code definiert höchste Datenschutzstandards nach europäischem Werteverständnis, sowohl für die technische als auch die organisatorische Implementierung. Europäische Cloud Service Provider können durch freiwillige Anerkennung und Anwendung der Bestimmungen transparent nachweisen, dass sie diesen Standards folgen“, erklärt Fallmann die Bedeutung des CoC.
Als erstes länderübergreifendes Werkzeug umfasst der EU Cloud CoC alle Produktarten des Cloud-Computings und wurde nun offiziell von den Datenschutzbehörden anerkannt. Der einheitliche Rechtsrahmen verschafft dem EU-Binnenmarkt laut Fallmann einen deutlichen Wettbewerbsvorteil: „Je mehr Anbieter von Cloud-Services sich den strengen Auflagen und Prüfungen diverser externer Auditoren unterwerfen, desto mehr Vertrauen entsteht in die europäische Digitalwirtschaft. Das wird zusätzliches Innovationspotenzial auslösen.“ Bei Fabasoft, einem der Treiber dieser Entwicklung, geht man mit gutem Beispiel voran. So hat die Linzer Softwareschmiede kürzlich als weltweit erstes Unternehmen die dritte und somit höchste Compliance-Stufe des neuen CoC erreicht.
Souveränität durch Gaia-X
Seit mehr als einem Jahr arbeitet Europa auch an einem sicheren und vertrauenswürdigen europäischen Daten-Ökosystem. Ziel ist es, aus vorhandenen zentralen und dezentralen Dateninfrastrukturen eine homogene und transparente Softwareplattform mit Datenschutz nach europäischen Werten und höchstem Sicherheitsniveau zu formen. „An dieser Gaia-X-Cloudinitiative, die ursprünglich von Deutschland und Frankreich ausgegangen ist, arbeiten mittlerweile mehr als 300 Unternehmen, darunter auch Fabasoft“, so Fallmann. In den Gaia-X-Hubs der europäischen Datenwolke werden aktuell die technischen Spezifikationen für die souveräne, digitale Infrastruktur entwickelt. „Gaia-X ist eine Chance, die Digitalisierung Europas in die eigenen Hände zu nehmen“, ist Fallmann überzeugt.