Gastkommentar

Deutschlands grüner Unilateralismus nutzlos

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Das Klimaproblem ist ein ernsthaftes Problem für die Menschheit. Doch einseitige Aktionen führen zu einer Selbstkasteiung.

Deutschland hat bereits eines der ambitioniertesten Klimaprogramme der ganzen Welt – nun will es sich mit noch weiter verschärften Zielvorgaben an die Spitze setzen. Dazu legte die Regierung zuletzt einen Gesetzesentwurf vor, demgemäß der CO2-Ausstoß gegenüber dem Referenzjahr des Pariser Klimaabkommens, also dem Jahr 1990, bis zum Jahr 2030 um 65 und bis zum Jahr 2040 um 88 Prozent reduziert werden soll. Die vollständige Klimaneutralität soll bis 2045 erreicht werden.

Dieses Programm bettet sich in den Green Deal der EU ein, der bis 2030 eine Reduktion um 55 Prozent und bis 2050 die vollständige Klimaneutralität vorsieht. Denn Deutschland hatte sich auch in den vergangenen Jahren stets bereit erklärt, einen überproportionalen Anteil an den Reduktionsbemühungen zu tragen. Deutschlands Entscheidung ist dabei aus einer Verantwortung für die Stabilität des Weltklimas entstanden und getragen von der grünen Bewegung, die in Deutschland ihren politischen Ursprung hatte und hier stärker ist als irgendwo sonst auf der Welt.

Merkels Flucht nach vorn

Auslöser war ein am 29. April veröffentlichtes Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe, das von grünen Umweltaktivisten erstritten worden war. Das Gericht übernahm die Theorie vom maximal zulässigen Kohlenstoffbudget sowie das Klimaziel von maximal 1,5 Grad Erderwärmung gegenüber vorindustrieller Zeit, die zulässig seien, um größere Klimaschäden zu verhindern. Und es argumentierte, das restliche Kohlenstoffbudget für die zukünftigen Generationen sei zu klein, wenn Deutschland jetzt schon so viel verbrauche wie bisher geplant.

Angesichts der im Frühjahr noch gestärkt erscheinenden Partei der Grünen ergriff die Regierung von Angela Merkel die Flucht nach vorn und erneute die Strategie der „asymmetrischen Demobilisierung“, mit der die Kanzlerin seinerzeit bereits die sozialdemokratische Partei dezimiert und an den linken Rand gedrückt hatte. Die Idee ist: Indem man das Programm des politischen Gegners übernimmt, beraubt man ihn seines Wahlkampfthemas und reduziert seine Siegeschancen.

Allerdings hatte diese Strategie bereits 2011 beim Versuch, die Grünen in Schach zu halten, nicht funktioniert. Damals hatte die Kanzlerin nach dem Unglück von Fukushima innerhalb weniger Tage den Atomausstieg durchgesetzt, um dadurch die Wahlchancen ihrer Partei im Bundesland Baden-Württemberg zu erhöhen. Tatsächlich wurde aber bei dieser Wahl der erste grüne Ministerpräsident Deutschlands fest etabliert, weil die Wähler dann doch das Original der Kopie vorzogen.

Das Problem bei solchen hastig aus dem momentanen Zeitgeist getroffenen Beschlüssen über politische Ziele ist, dass die Frage, ob sie überhaupt wirken und was sie kosten, nicht sorgfältig durchdacht werden kann. Allenfalls verlässt man sich auf euphorische Klimamodelle, in denen ökonomische Betrachtungen zur Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und zu den Reaktionen der weltweiten Brennstoffmärkte überhaupt nicht vorkommen.
Deutschland setzt auf den Strom, der aus Wind- und Sonnenenergie gewonnen wird, um ihn direkt oder auf dem Umweg über die Wasserstoffproduktion zu verbrauchen. Dessen Anteil am Endenergieverbrauch inklusive solcher Bereiche wie Heizung, Verkehr und Prozesswärme liegt derzeit aber noch unter sieben Prozent. Das, obwohl das Land schon weitflächig mit Windkraftanlagen und Solardächern übersät ist. An der Stromproduktion macht der Anteil zwar schon ein Drittel aus, doch der Strom ist ja selbst nur ein Fünftel des Ganzen.

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