Geowissenschaften

Was die Tiefen der Erde uns über Klimaänderungen verraten

 Unsere Gebirge wachsen seit Jahrmillionen unmerklich in die Höhe und werden gleichzeitig durch Erosion wieder kleiner.
Unsere Gebirge wachsen seit Jahrmillionen unmerklich in die Höhe und werden gleichzeitig durch Erosion wieder kleiner.(c) imago images/Fotostand (Fotostand / Wagner via www.imago-images.de)
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Der Geologe Christoph von Hagke liest an Steinen aus der Tiefe der Erde ab, wie Gebirge vor Jahrmillionen auf Klimaveränderungen reagiert haben. Die Ergebnisse sollen Anhaltspunkte für Gegenwart und Zukunft liefern.

Auch wenn Berge für die meisten Menschen ein Symbol für Stabilität und Unveränderlichkeit sind: Unsere Gebirge wachsen seit Jahrmillionen unmerklich in die Höhe und werden gleichzeitig durch Erosion wieder kleiner. „Die Gebirgsbildung ist noch lange nicht abgeschlossen“, erläutert der Geologe Christoph von Hagke, der seit Oktober vergangenen Jahres Professor für Geowissenschaften an der Universität Salzburg ist. Er befasst sich mit dem Entstehen und Vergehen von Gebirgen und stellt diese in den Kontext von klimatischen Veränderungen.

Auch wenn sich Geologen mit Prozessen auseinandersetzen, die sich vor Jahrmillionen tief im Inneren der Erde abgespielt haben, können diese tektonischen Vorgänge im Hinblick auf Klimaveränderungen viel Aussagekraft haben. Beispielsweise bei der Frage, ob die Erosion sich durch den Klimawandel beschleunigt.

Temperatur und Erosion im Fokus

Während viele Geowissenschaftler die Bereiche nahe der Erdoberfläche ansehen und sich mit Landschaftsentwicklung beschäftigen, hat sich von Hagke zusätzlich auf die tiefen Erdschichten spezialisiert. Erosion ist das Bindeglied zwischen Oberflächenprozessen und Bewegungen im Erdinneren. Um die etwaigen Deformationen, Schwachstellen oder Faltungen zu erkennen, werden Steine aus den tiefen Schichten der Erde in extrem dünne Scheiben – 30 Mikrometer – geschliffen und auf Glasplatten aufgeklebt. Diese Scheibchen sind so dünn, dass man durchsehen kann.

Unter dem Mikroskop werden dadurch Strukturen sichtbar. „Ich verbinde die Gesteinsmechanik – also wie Gesteine deformieren, brechen oder gefaltet werden – mit Thermochronologie“, erläutert von Hagke. Die Thermochronologie ist eine Methode, mit der sich die „Abkühlgeschichte“ von Gesteinen nachvollziehen lässt und die dazu dient, über die Temperatur von Gesteinen auf die Erosionsraten zu schließen. Über die Verbindung zwischen Gesteinsmechanik und Thermochronologie lassen sich Reaktionen von gebirgsbildenden Prozessen auf Klimaschwankungen besser verstehen.

Derzeit baut von Hagke ein vom Land Salzburg gefördertes Labor auf, in dem diese Verbindung möglich wird. Die Erosionsrate allein sagt wenig aus, sie muss immer im Kontext eines Zeitraums gesehen werden. „Das Wissen über die Gesteinsmechanik ist essenziell, um die Langzeitsignale richtig interpretieren zu können“, betont der Geologe, der zuvor unter anderem an der Technischen Hochschule Aachen (Deutschland) und am California Institute of Technology (USA) geforscht hat.

Die österreichischen Alpen „wachsen“ pro Jahr rund einen Millimeter. Gleichzeitig wird im selben Zeitraum ein Millimeter durch Erosion abgetragen. Erst wenn man sehr lange Zeitspannen überblickt, kann man sagen, ob sich der Erosionsprozess durch Klimaeinflüsse beschleunigt. Er wird nämlich nicht nur von starken Regenfällen, Lawinen oder Murenabgängen bestimmt. Es gibt auch Umformungsprozesse, die Jahrtausende wirken – etwa ob eine Landschaft vom Abfluss eines Gletschers oder eines Flusses geformt wird. „Um kleinräumige Ereignisse zu verstehen, ist es auch wichtig, die großskaligen Prozesse zu kennen“, erläutert von Hagke.

Die Alpen zerbröseln

„Wir sehen in den Alpen, dass die Kurzzeitrate der Erosion höher ist als die Langzeitrate“, meinte von Hagke. Der Millimeter, der derzeit jährlich abgetragen wird, gilt nämlich nur für einen geologisch relativ kurzen Zeitraum. Betrachtet man aber die Langzeitrate, liegt die Erosion unter einem Millimeter. Für die Forschung stelle sich nun die Frage, ob und wie stark die Erosionsrate tatsächlich angestiegen ist.

Mit dem Klimawandel komme man in eine Phase, in der die Landschaft stärker reagiere. Durch das Auftauen des Permafrostes wird beispielsweise viel Gestein locker. „Die Alpen zerbröseln“, bringt von Hagke es auf den Punkt. Wenn die Gebirgsbildung aufhöre und nur mehr die Erosion wirke, würden die Alpen ihm zufolge in sehr ferner Zukunft nur mehr wie Hügel in Mittelgebirgslandschaften aussehen.

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