Management

Europa ist dumm

Europa
EuropaAPA/dpa-Zentralbild/Jens Kalaene
  • Drucken

Kolumne "Hirt on Management": Folge 156. Warum wir uns von den Amerikanern, Chinesen und Russen an der Nase herum führen lassen und warum Europa eine Strategie benötigt.

Seit ihrer Gründung 1776 verfolgen die Vereinigten Staaten von Amerika konsequent eine expansive, auf territoriale und wirtschaftliche Eroberung beruhende, seit dem 20. Jahrhundert globale, Strategie.

Territoriale Beispiele sind Alaska (dem schwachen Zarenreich abgekauft), Texas (von Mexiko erobert) und Hawaii (einfach annektiert) und zahlreiche moderne Vasallenstaaten, die von amerikanischer Militär- oder Wirtschaftshilfe abhängig sind.

Wirtschaftlich verfolgen die USA auch seit über 100 Jahren die gleiche Strategie. Nämlich, zuerst ihren riesigen Binnenmarkt vor Konkurrenz abzuschotten, um dann in einem zweiten Schritt, freie Weltmärkte von anderen zu fordern, um diese Märkte dann mit den, im Binnenmarkt gestählten Produkten, zu erobern.

Hier nur ein Beispiel von vielen: Am Beginn der Stummfilmzeit kamen die Weltmarktführer im Filmbereich aus Europa, z.B. Frankreich und Schweden. Dann entdeckten die Amerikaner dieses lukrative Geschäft für sich, warfen die ausländischen Wettbewerber mit horrenden Importzöllen aus dem Binnenmarkt, den sie natürlich dann dominieren konnten und eroberten anschließend den Weltmarkt.

Eine andere Variante der amerikanischen Erfolgsstrategie besteht darin, mit riesigen öffentlichen Aufträgen und Förderungen, vor allem für die Rüstungsindustrie, die schnelle Entwicklung neuer Technologien zu fördern (z.B. DARPA), die dann in der einen oder anderen Form wieder als zivile Erfolgsprodukte auf den Weltmärkten auftauchen.

In jedem Fall wird die, doch so heilige, freie Marktwirtschaft, nur dann eingefordert, wenn dies zum eigenen Vorteil ist. Wenn die Marktwirtschaft keine Vorteile bringt, agiert man in der Praxis, ohne mit der Wimper zu zucken, nach den ach so verteufelten Grundsätzen des Protektionismus und der staatlichen Planwirtschaft.

Das sollte uns alle nicht wundern, denn „the business of America is business“ und es ist egal, welche der beiden Parteien des amerikanischen politischen „Spektrums“ man ansieht, Republikaner oder Demokraten Wenn’s ums Geld geht, dann sind sie alle gleich. Die Geldquellen unterscheiden sich halt.

Die Republikaner werden von den traditionellen, konservativen Geschäftsinteressen gefördert und die Demokraten von den progressiv-liberalen Geschäftsinteressen, wie z.B. Google, Amazon und Facebook.

Letztendlich geht es diesen Unternehmen aber in beiden Fällen nicht um weltanschauliche Inhalte und Werte, diese sind nur ein Feigenblatt, sondern um das Ziel, weiterhin ungestört weltweit Milliarden scheffeln zu können.

Jetzt ist mit China ein weiterer, selbstbewusster Wettbewerber auf den Plan getreten, der übrigens ähnliche Methoden, wie die Amerikaner verwendet, nur mit einem anderen ideologischen Pseudomascherl. Die Chinesen gehen nur derzeit von außen nach innen vor, also möchten jetzt ihren Binnenmarkt, auf der Grundlage ihrer Erfolge im Weltmarkt, stärken.

Und auch Russland, das zwar wirtschaftlich hinterher ist, aber weltpolitisch und militärisch, mutig und selbstbewusst handelt, ist ernst zu nehmen.

Wie schon der französische Staatsmann und Ultra-Realist Charles de Gaulle gesagt hat: „Staaten haben keine Freunde, sondern Interessen.“

Daher sollte uns weder das Verhalten der USA, noch das Verhalten von China oder Russland verwundern. Jeder Staat verfolgt eben einfach seine Interessen und die seiner Wirtschaft, nichts anderes ist zu erwarten, das ist vollkommen normal.

Es ist daher höchst dringend, dass Europa endlich aufwacht und erkennt, dass es höchste Zeit ist, ultra-realistisch zu werden, die Eurosklerose rücksichtslos abzuschütteln und endlich, mit Pragmatismus und ohne falsche ideologische Verbrämtheit, seine Rolle als ernst zu nehmende kulturelle, wirtschaftliche und, ja, auch militärische, Führungskraft aktiv, interessensorientiert, pragmatisch und mutig wahrzunehmen.

Das Wichtigste in Kürze

Es ist höchst dringend, dass Europa endlich aufwacht und seine Rolle als ernst zu nehmende kulturelle, wirtschaftliche und, ja, auch militärische, Führungskraft aktiv, interessensorientiert, pragmatisch und mutig wahrnimmt.

In der nächsten Kolumne beschäftigen wir uns mit der Frage, wieso Hybris und übertriebenes Selbstvertrauen ein Rezept für Katastrophen sind und was die Harvard Business School damit zu tun hat.

Schicken Sie Ihre Fragen an Michael Hirt an: karrierenews@diepresse.com

Die Fragen werden anonymisiert beantwortet.

Ausblick: Die nächste Kolumne von Michael Hirt erscheint am 12. August zum Thema „McNamaras ,Trottel' und der Wahnsinn der Technokraten“.

Hier finden Sie die gesammelten Kolumnen.

Michael Hirt ist Managementexperte und -berater, Executive Coach, Keynote Speaker und Buchautor. Hirt verhilft Führungskräften zu außergewöhnlichen Leistungs- und Ergebnissteigerungen, mit hoher Auswirkung auf den Erfolg ihres Unternehmens. Er studierte in Österreich, den USA (Harvard LPSF) und Frankreich (INSEAD MBA) und ist weltweit tätig.

Gastkommentare und Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.