Bürgermeister Michael Häupl lotete in Vieraugengesprächen mit ÖVP und Grünen die Rahmenbedingungen für Koalitionsverhandlungen aus. Gespräche gibt es auch mit der FPÖ, aber nicht als Unterredung unter vier Augen.
Wien. Sondierungsgespräche. Dieses Wort, das der damalige Bundespräsident Thomas Klestil 1999/2000 vor der Bildung der schwarz-blauen Bundesregierung so geliebt hat, ist derzeit in Wien wieder in Mode. Bürgermeister Michael Häupl begann nun Sondierungsgespräche mit ÖVP, Grünen und FPÖ – „in unterschiedlicher Qualität“, wie Häupl im Vorfeld betont hatte.
Konkret wurde bereits in Vieraugengesprächen mit Wiens VP-Chefin Christine Marek (Montag) und Grünen-Chefin Maria Vassilakou (Dienstag) ausgelotet, ob Koalitionsgespräche aufgenommen werden. Über diese Gespräche wurde Stillschweigen vereinbart.
Gespräche gibt es auch mit der FPÖ, aber nicht in Form einer Unterredung unter vier Augen. Gemeinsam mit SP-Klubchef Sigfried Lindenmayr und Parteimanager Christian Deutsch wird Häupl sondieren, inwieweit eine Zusammenarbeit mit der FPÖ auf reiner Sachebene möglich ist – nachdem Häupl erklärt hat: „Wenn eine Partei 26 Prozent hat, muss man sich mit ihr auseinandersetzen.“
Gespräche mit der FPÖ
Obwohl die SP nicht mit der FP über eine Koalition reden will, hat Parteichef Heinz-Christian Strache, der nun Vizebürgermeister werden will, ein Team für Koalitionsverhandlungen nominiert. Es wird wenig zu tun bekommen. Die Grünen haben bereits ihr Team für Koalitionsverhandlungen zusammengestellt. Neben Vassilakou sind der nicht amtsführende Stadtrat David Ellensohn und Vertreter der Landespartei dabei. Die SPÖ muss ihr Verhandlungsteam erst nominieren – ebenso wie die ÖVP, in der es nach dem (mehr oder weniger freiwilligen) Rückzug von Parteimanager Norbert Walter Unmut gibt: „Wir gehen in Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ und Norbert Walter, der die Partei in- und auswendig kennt, wird durch den völlig unerfahrenen Christoph Hörhan ersetzt. Der hat keine Ahnung von Wien, die SPÖ wird uns völlig über den Tisch ziehen“, meint ein VP-Politiker. Fest steht: Marek wurde am Montag vom Parteivorstand legitimiert, Koalitionsverhandlungen aufzunehmen.
„Wirtschaft für Rot-Schwarz“
Apropos ÖVP. Raiffeisen-Generalanwalt Christian Konrad bevorzugt aus Sicht der Wirtschaft eine Koalition zwischen SPÖ und ÖVP, wie er betont. Zu Aussagen von Ferry Maier, ÖVP-Abgeordnetem und im Brotberuf Raiffeisen-Generalsekretär, die ÖVP müsse zwecks Neuaufstellung und -positionierung in Opposition gehen, meint Konrad: „Das ist nicht die Meinung von Raiffeisen, sondern die des ÖVP-Präsidiumsmitglieds Maier. Diese in den Medien zu äußern ist das gute Recht des VP-Abgeordneten.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14. Oktober 2010)