Analyse

Roger Federers Kampf um Selbstbestimmung

USA TODAY Sports
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Geht eine der größten Karrieren der Sportgeschichte auf Krücken zu Ende? Immer mehr stellt sich heraus: Ein krönender Abschluss wird dem mittlerweile 40-jährigen Schweizer wohl verwehrt bleiben.

Basel. Im Normalfall bedeutet dieser Rückschlag das Ende einer Tenniskarriere. Genau eine Woche nach seinem 40. Geburtstag musste Roger Federer von seiner nächsten langen Zwangspause berichten. Der zwanzigfache Grand-Slam-Sieger unterzieht sich einer weiteren Knieoperation und entsprechend emotional betroffen wirkte er, als er diesen bemerkenswerten Satz sagte: „Ich will mir einen Funken Hoffnung geben, auf die Tour zurückzukehren.“

Federers bisher praktisch unverwundbaren Körper holt nun endgültig die Realität ein. Es wird seine dritte Knieoperation innerhalb von eineinhalb Jahren sein, und dennoch liebäugelt der Schweizer offenbar mit einem weiteren Comeback. Dabei war sein jüngstes schon wenig erbaulich verlaufen. Insgesamt reichte es heuer für nur 13 Partien. Als Federer wieder ansatzweise Matchpraxis gesammelt hatte, schaffte er es in Wimbledon, also dort, wo ihn als Rekordchampion ohnehin eine gewisse Aura umgibt, noch ins Viertelfinale, um dort eine Abfuhr von Hubert Hurkacz, damals die Nummer 18 der Welt, zu kassieren. Der letzte Satz endete 0:6.

Federer musste erst einmal alles sacken lassen. Er sagte für Olympia in Tokio ab, er verzichtete auf den Auftakt der Hartplatzsaison in Nordamerika. Und irgendwie war nun klar: Die letzte Chance auf einen Grand-Slam-Titel hatte er wohl 2019 verspielt, als er im längsten Endspiel der Wimbledon-Historie zwei Matchbälle gegen Novak Djoković ausließ.

Die wahren Ziele

Was wartet nun auf den Schweizer? Um welche Verletzung es sich genau handelt, sagte Federer nicht. Nur: „Ich werde mehrere Wochen auf Krücken gehen und mehrere Monate ,out of the game‘ sein.“ Er verpasst die US Open (ab 30. August) und die restliche Saison dürfte ebenfalls vorbei sein. Auch wenn er 2022 noch einmal als 40-Jähriger zurückkommt, bleibt die Frage: Ist er in einem Maße wettbewerbsfähig, die eines Stars seiner Klasse würdig wäre?

Doch Federer selbst scheint es um etwas ganz anderes zu gehen. Sein Ziel ist es, selbst zu bestimmen, wann er sein Tenniskapitel schließen möchte. Schon vor längerer Zeit hatte er erklärt, er müsse nicht kitschig aufhören. Aber mit einer Verletzung soll es eben auch nicht zu Ende gehen. Er will selbst diktieren, wann Schluss ist.

Deshalb auch seine bescheidene Zielvorgabe: Erst einmal gesund werden und die Reha zumindest mit dem Ziel angehen, weiter auf der Tour aktiv zu sein. „Ich bin realistisch, versteht mich nicht falsch, ich weiß, wie schwierig eine Operation in diesem Alter ist.“

Rekordjagd entschieden

Alles andere, Erwartungen an Siege und Titel, wären in einem Weltsport, der für seine stetig anwachsende Leistungsdichte bekannt ist, selbst für die langjährige Nummer eins vermessen. Eine Rekordjagd scheint ohnehin entschieden: In seiner aktuellen Form ist es nur eine Frage der Zeit, bis Novak Djoković ein weiteres Major-Turnier gewinnt und dann mit Titel Nummer 21 sowohl Federer (20) als auch Rafael Nadal (20) überflügelt.

Weil man Roger Federer erwiesenermaßen nie abschreiben darf, sei es hier ganz vorsichtig formuliert: Noch nie war die Fortsetzung seiner historischen Tenniskarriere fraglicher als jetzt.

(joe)

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