Gastbeitrag

Warum wir in Afghanistan scheitern

  • Drucken

20 Jahre hat der Westen versucht, aus Afghanistan einen funktionierenden Staat zu machen. Mit der Implosion der korrupten pro-westlichen Regierung beginnt eine noch blutigere Phase im ewig währenden Bürgerkrieg.

In meiner Küche benütze ich ein Taschenmesser, das mir täglich klarmacht, warum wir scheitern mussten. Ich kaufte es 2008 in Faizabad, in der abgelegenen, nordöstlichen Provinz Badachschan. Fünf Jahre zuvor war ich für das Heidelberger Max-Planck-Institut nach Afghanistan gekommen und blieb hängen. Über zehn Jahre arbeitete ich für fast alle großen internationalen Organisationen im Rechts- und Verwaltungsaufbau, bevor ich zurück in die Lehre ging.Gastkommentare und Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

>>> Mehr aus der Rubrik „Gastkommentare“

Während wir also auf die Audienz beim lokalen Kriegsherren warteten, wollte ich mir dieses schön gelegene, aber bitterarme Städtchen ansehen. Ich traf einen sehr alten Mann, der in seinem kümmerlichen Laden aus Metallresten und Holz mit sehr einfachen Werkzeugen hübsche Taschenmesser fertigte. Wir kamen ins Gespräch und ich wollte zum Abschied gern eines seiner Messer kaufen. Er verlangte zwanzig Afghanis, etwa 50 Cent. Ich zahlte und schäme mich bis heute dafür.

Byzantinische Korruption

Denn während er hart gearbeitet hatte, um etwas Nützliches zu produzieren, für das er den Gegenwert von zwei Fladenbroten erhielt, verzerrten die von uns verteilten Gehälter, Aufwandsentschädigungen und Konsumgüter nicht nur das Preisniveau der Realwirtschaft, sondern zersetzten die innere Struktur einer an sich sehr eigenständigen Gesellschaft. Jeder unserer Fahrer, Übersetzer, Kalfaktoren verdiente ein Vielfaches des normalen Lohns. Mit den Ausländern gut verbundene Menschen in Verwaltung und Privatwirtschaft verdienten Gehälter, die selbst in Europa Neid erzeugt hätten. Das Militär zahlte Schutzgelder an Kriegsherren, wir stellten ihre Neffen in unseren Projekten an. Mit den besten Absichten halfen wir mit, eine wahrhaft byzantinische Korruption zu schaffen, die die Gesellschaft zutiefst spaltete.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.