911er-Generation 992 als Sportvariante GT3: Mit Touring-Paket dezent verpackt, jedoch mit brisanter Technik darunter.
Neuvorstellung

911 GT3, fast dezent: Des Sportwagens reine Seele

Nicht Leistungsexzess und Rekordbeschleunigung (wiewohl vorhanden) sind das emotionale Highlight des Porsche 911 GT3, sondern pures und ehrliches Fahrgefühl. Das gibt es jetzt auch dezent in Touring-Variante.

Wien. Wo ist der „Sweet Spot“ in der bereits erstaunlich langen Liste der 911er-Derivate? Ist es der Turbo S, weil mit 650 PS und Allrad der Überflieger? Eine Cabrio- oder Targavariante für die schönen Tage des Jahres? Vielleicht auch die auch schon 385 PS starke „Einstiegsvariante“ Carrera, ohne viel Klimbim? Selbst ein Nischenmodell wie der 911er wird mittlerweile für jeden Geschmack und Einsatzzweck aufbereitet. Die Geschmacksrichtung GT3 mundet dabei vor allem den Sportfahrern unter den Porsche-Kunden; jenen, die ihrem 911er gern auch auf der Rennstrecke auf den Zahn fühlen.

Das pragmatisch für den Rennsport stehende „RS“, erstmals 1972 für die allererste, asketische Sportversion des Ur-Elfers eingesetzt, wich schon vor langer Zeit dem knackigen Kürzel aus dem Motorsportreglement. Die grundlegende Idee, eine erleichterte, flinkere und perfomantere Variante des grundsätzlich eh schon sehr gelenkigen 911ers herauszubringen, wurde zum Erfolgsrezept. Die Zutaten in groben Zügen: ein steiferes Fahrwerk für direkteres Feedback von der Straße, ein starker und drehfreudiger Saugmotor, verbesserte Aerodynamik, Selbstverständlichkeiten wie sportliches Gestühl und Gewichtsersparnis durch Weglassen. Weniger Dämmung, weniger Komfort. Ergebnis: ein pureres, echteres und emotionaleres Fahrerlebnis.

Der technische Fortschritt und Komfortgewinn lassen die 911er, die im Gegensatz zum GT3 nicht der Motorsportabteilung entspringen, bei aller sportlichen Kompetenz im direkten Vergleich ein wenig verweichlicht und unfokussiert wirken. Wie verzichtbar 18-fach elektrisch verstellbare Sportsitze mit Heizung und Lüftung sind, erfährt man, wenn der Sportschalensitz des GT3 – nur in Länge und Höhe einstellbar – auf Anhieb perfekt passt und sogar auf Langstrecken dem Rücken schmeichelt. Der Schlüssel zum emotionalen Highlight der Modellpalette sind nicht Leistungsexzess und Rekordbeschleunigung, sondern pures und ehrliches Fahrgefühl. Das zu vermitteln, vermag der GT3 mit Nachdruck, dann aber doch auch kultiviert wie kaum ein anderer Sportwagen. Die DNA des 2.7 RS hat sich also bis heute, in der Baureihe 992, gehalten.

So soll, ja muss es sein: Handschaltung für den direkten Zugriff ins Geschehen.
So soll, ja muss es sein: Handschaltung für den direkten Zugriff ins Geschehen. Koslowskiphoto

Das Fahrgefühl der aktuellen Generation ist nochmals direkter und ungefilterter als bei den Vorgängern. Die Fahrbahnbeschaffenheit scheint sich durch die nun erstmals als Doppel-Querlenker ausgeführte Vorderachse und die ultragefühlvolle Lenkung über das klassische Sportlenkrad und die Fingerspitzen bis direkt ins Hirn zu übertragen – in Echtzeit und voller Bandbreite. Mehr Sicherheit und Vertrauen zum vorliegenden Grip-Level des Straßenbelags und den möglichen Kurvengeschwindigkeiten vermittelt sonst kaum ein anders Auto. Mit etwas weniger Gummi und etwas mehr Metall an genau den richtigen Stellen des Fahrwerks entsteht ein feinfühliges Gesamtkunstwerk, mit dem sich die Straße in all ihren Facetten aufnehmen lässt.

Im Heck sitzt ein Sechszylinder-Boxer: vier Liter Hubraum, frei saugend, maximal 510 PS, erst bei 9000 Umdrehungen ist Schluss mit der Drehzahlorgie. Zuerst heiser röchelnd, dann wild trompetend schiebt er an. Mit einem für heutige Verhältnisse milden Drehmoment von maximal 470 Nm lässt es sich linear und harmonisch beschleunigen, ohne das dicke Heck des 992 in Wallungen zu bringen. Nichts geht über die wundervoll lineare Charakteristik eines drehzahlgierigen Saugmotors!

Das bei der Vorstellung des Vorgängermodells ausrangiert geglaubte Schaltgetriebe krönt dabei das ursprüngliche Wesen des neuen GT3. Wer mit dem Gedanken spielt, das Doppelkupplungsgetriebe wegen höherer Alltagstauglichkeit zu wählen, sei informiert, dass die Motorsportherkunft des GT3 generell am Alltagskomfort nagt. Der Geräuschpegel im Innenraum ist nicht nur wegen der trompetenden Auspuffanlage kerniger. Dünnere Verglasung, weniger Dämmmaterial, lautere Sportbereifung und höherer Körperschall durch den direkt mit der Karosserie verschraubten Motor sind nicht von der Hand zu weisen. Daran ändert auch das Touring-Paket nix, auch wenn's der Name suggeriert. Damit ist der GT3 nur optisch zurückhaltender, weil der große Heckflügel fehlt. Die grundlegende Technik ist unverändert.

Porsche 911 GT3 Touring

Maße. L/B/H: 4573/1852/1279 mm. Radstand: 2457 mm.
Leergewicht: 1510 kg.
Kofferraum: 132 Liter.
Motor. Otto-Sechszylinder-Boxer, 3996 cm3. Max. Leistung: 375 kW (510 PS) bei 8400/min. Max. Drehmoment: 470 Nm bei 6100/min.
0-100 km/h: in 3,2 sec. Vmax: 318 km/h. Hinterradantrieb mit Differenzialsperre. Sechs-Gang-Schaltgetriebe manuell (Standard). Sieben-Gang-Doppelkupplungsgetriebe (optional),
Normverbrauch: 12,9 l/100 km, entspricht 293g CO2/km.
Preis ab 252.378 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2021)

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