Geschichtswissenschaft

Die frühen Bürger Wiens und ihre Sprache

Marktszene. Frauen waren im Handel stets präsent.
Marktszene. Frauen waren im Handel stets präsent. Erich Lessing / picturedesk.com
  • Drucken

Erbbürger, Prostituierte und Ehrlose: Wiener Historiker beleuchten das soziale Stadtgefüge des mittelalterlichen Wien. Eine Besonderheit: das klassische, rechtlich abgesicherte Patriziat fehlte.

Von den Stadtbürgern bis zu den Spielleuten und Prostituierten. Oder von den angesehenen Wiener Stadtbewohnern bis zu den „wenig Ehrbaren“ – eine vielfältige Palette an sozialen Gruppierungen zählen die emeritierten Historiker Peter Csendes und Ferdinand Opll auf, wenn sie das mittelalterliche Leben innerhalb des Wiener Burgfrieds beschreiben.
Die unterschiedlichen Gruppen waren genau definiert: Da waren die Bürger und – mit etwas unterschiedlichen Aufgaben – die Bürgerinnen, die Adeligen und der Klerus als höhere Stände, die Angehörigen der Universität, die besitzlosen Inwohner ohne Bürgerrecht, die Juden und die sogenannten Störer. Zur letzten Personengruppe zählten Fuhrleute und Taglöhner sowie die Knechte und Mägde.

Und dann gab es noch eine weitere soziale Stufe, wie die beiden Historiker in ihrem neu erschienenen Buch „Wien im Mittelalter“ (Böhlau-Verlag, 47 Euro, 440 Seiten) ausführen: „Am untersten Ende standen die Niedrigen, die ,Leichten‘ und Ehrlosen, die ,inhonesti‘, Fahrende, Spielleute und Gaukler, an deren Auftritten man sich belustigte, die jedoch verachtet wurden. An letzter Stelle waren die Bettlerinnen und Bettler.“

Eine ähnliche Abfolge lässt sich auch in anderen mittelalterlichen Städten nachweisen. Was für Wien als mittelalterliche Großstadt aber charakteristisch ist, so Csendes, ist das Fehlen eines klassischen, rechtlich abgesicherten Patriziats. Eine Wiener Besonderheit war hingegen um die Mitte des 13. Jahrhunderts die Gemeinschaft der Ritter und Erbbürger (universitas militum et civium) in der nach einem Stadtrechtsprivileg von König Rudolf I. die Rittermäßigkeit und Lehensfähigkeit mancher Bürger zum Ausdruck gebracht werden sollte.
Wien als Herrschaftssitz war hingegen geprägt von einer anhaltenden Zuwanderung, wie sich dies auch in den Namen widerspiegelt. Csendes und Opll nennen hier etwa die Regensburger und die Nürnberger oder verweisen auf den ab 1490 amtierenden mehrfachen Bürgermeister Paul Keck, der gemäß seines Herkunftsortes auch als „Röschitzer“ (nach dem Weinviertel-Ort) bekannt war.

Schwer verständlicher Dialekt

Autoren und Quellen

In der Sprachforschung wird das Wienerische bis in das 13. Jahrhundert zurückverfolgt. Der Dialekt muss damals für Außenstehende schwer verständlich gewesen sein. Als der Habsburger Albrecht I. aus dem Oberelsass nach Wien kam und seinem Vater, Rudolf I., nachfolgte (vorerst als Reichsverweser), ließ er für seine Gefolgschaft ein Glossar anfertigen, eine Art Wörterbuch für bestimmte in Wien vorhandene Begriffe. Aber auch vice versa beeinflussten die Neuankömmlinge die vorherrschende bairische mit ihrer ost-alemannischen „a-lastigen“ Mundart.

Als Beispiel nennt Peter Csendes das (heutige) „daheim“. Dieses wurde vom mittelhochdeutschen „da heime“, zum wienerisch-alemannischen „daham“ anstatt zum bairischen „dahoam“. Der Einfluss der Dynastien auf die Sprache ihrer neuen Herrschaftsgebiete war freilich weit verbreitet. Die fränkischen Mundartvarianten haben vermutlich mit den Spanheimern nach Kärnten gefunden. Dort übernahm das aus Rheinfranken stammende Geschlecht 1122 die Herzogswürde.

Mehr über die Publikation „Wien im Mittelalter“ finden Sie morgen in der „Presse am Sonntag“.Die Abfolge des Buches „Wien im Mittelalter“ von Peter Csendes und Ferdinand Opll ist als Gegenstück zu einer chronologischen Darstellung in acht thematischen Bereichen konzipiert. Die wissenschaftliche Akribie wird mit 660 Fußnoten und einer umfassenden Bibliografie ausgewiesen. Beide Autoren waren an der Uni Wien und im Wiener Stadt- und Landesarchiv tätig.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.