Scheinarchitektur: Wandtapete von Christophe Koziel.
Philosophicum Lech

Wie frei sind wir wirklich? Von Täuschungen, Konventionen und vom Prinzip des Als-ob

Freiheit ist nichts anderes als eine Idee. Es mag nun Menschen geben, denen diese Idee gefällt, und die danach handeln. In diesem Moment sind sie tatsächlich frei, es ist, als wäre die Freiheit ihres Willens nachgewiesen worden. Oder: Wir sind genau dann frei, wenn wir so tun, als ob wir frei wären.

Sehr geehrte Damen und Herren – sehr geehrte Damen und Herren? Hier stock' ich schon! Wer hilft mir weiter fort? Ich kann die beiden so hoch unmöglich schätzen. Ich muss was anderes an deren Stelle setzen. Denn diese Anrede taugt nicht mehr viel. Antiquierte Begriffe: Wer ist eine Dame, wer möchte noch als Herr bezeichnet werden? Und wird damit nicht am binären Charakter einer Geschlechterordnung festgehalten, die längst vielfältig, divers und fluid geworden ist?

Und überhaupt: Soll eine Anrede diejenigen bezeichnen, die damit gemeint sind, ist es auch aus anderen Gründen mit Damen und Herren lange nicht mehr getan. Denn niemand lässt sich auf das ohnehin prekär gewordene Mann- oder Frausein, auf die Sichtbarkeit seines Geschlechts reduzieren. Wer die Vielfalt von Anwesenden angemessen berücksichtigen wollte, müsste doch auch Kategorien wie Ethnizität, Herkunft, Religion, Ernährungsgewohnheiten, Alter, Status und verschiedene Varianten von Besonderheit in solch eine Begrüßungsformel aufnehmen. Zusätzlich müsste dabei scharf zwischen Merkmalen, mit denen sich Menschen identifizieren, und solchen, die ihnen zugeschrieben werden, unterschieden werden, um eine einigermaßen wirklichkeitsgetreue und nicht verletzende, inklusive, nicht ausgrenzende Anrede an eine größere Gruppe von Menschen zu formulieren.

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