Gastkommentar

Wo bleibt die angemessene Vergütung für Urheber?

Urheberrecht auf Österreichisch: Was lange währt, wird endend gut. Überlegungen zur Urheberrechtsnovelle.

Langsam geht es ans Eingemachte. Der 13. Oktober 2021 war der Stichtag für diverse Stellungnahmen zum Ministerialentwurf der Urheberrechtsnovelle. Entsprechend nervös brummt es nun auf der Homepage des österreichischen Parlaments. Dutzende Erklärungen, Forderungen, Detailschärfungen und Warnungen stehen dort Spalier, auf der einen Seite jene der Urheberverbände, auf der anderen jene der Film- und Musikindustrie und der Internetlibertins. Je nach Zugehörigkeit fallen die Argumentationen künstler- oder produzentenfreundlicher aus. Für die politische Entscheidungsgilde ist hier nochmals der ganze Interessenmix nachzulesen, dem das Justizministerium mit der Letztfassung des Entwurfs gerecht werden wollte.

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Dem EU-Parlament ging es in der Richtlinien-Vorgabe für diese Novellierung in der Hauptsache um die längst fällige Abgeltung der Urheberinnen und Urheber für die massenhafte Nutzung ihrer Werke auf den großen Online-Plattformen - bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Nutzerinteressen. Das kann nur über einen gesetzlich bindenden Vergütungsanspruch gegenüber den Plattformen erreicht werden, der die Urheber an der Wertschöpfungskette der großen Internetplattformen beteiligt. Deshalb sollte unsere Kulturpolitik, die just in diesen Tagen Fair Pay für die Kunst und ein nachhaltiges Regierungsprogramm für die Kultur propagiert, nicht übersehen, dass sie einen wichtigen Teil ihres eigenen Anspruchs jetzt mit wenigen Federstrichen einlösen könnte: in der Urheberrechtsnovelle!

Nur mit der klaren Bejahung eines Direktvergütungsanspruchs gegenüber Facebook, Instagram, Youtube und Co erhalten die Urheberinnen und Urheber jene Rahmenbedingungen, die ihre Leistungen nachhaltig ausgleichen.

Die Unkenrufe der Internetcommunity tun das ihre dazu, diesen zentralen Aspekt zu verwässern. Manche fadenscheinige Beschwörung der Zivilgesellschaft vergisst den schlichten Umstand, dass auch die Urheberinnen Teil davon sind. Die etwas sperrigen Texte der Novelle lassen jedoch nirgends eine substanzielle Benachteiligung der Userinnen und User erkennen, schon gar nicht eine finanzielle Forderung an sie. Besser noch: Die Userinnen und User können mit dieser Novelle die Grauzone der bisherigen Verwendung von urheberrechtlich geschütztem Content gegen die Legalität tauschen, Inhalte auf Social-Media-Plattformen hochladen zu dürfen. Das Tauschgut für die Urheber*innen ist vice versa die Bezahlung durch die Plattformen.

Wer allzu gern eine Gratisgesellschaft propagiert, sollte mit dem Codex der Verantwortlichkeit von allen für alle zurechtkommen, - oder in dieser Diskussion etwas leiser treten. Viele Straßen Wiens sind mittlerweile als Fairness-Zone ausgeschildert; ein Verhalten unter dieser Maxime führt auch im Internet zu sozialer Disruption. Genau das wird uns ja auf ökonomischer Ebene exemplarisch von den Plattformgiganten vorgemacht. Der Value Gap zwischen diesen und den Urheber*innen ist himmelschreiend. Hier kollidieren seit Jahren Milliardenumsätze mit Milliarden von Gratisnutzungen.

Medial ist es wohl spannender, eine Art Showdown zwischen Lagern bzw. Stakeholdern zu dramatisieren. Zu kurz kommt dabei, dass es in vielen Punkten durchaus Übereinstimmungen bei Urhebern und Kulturwirtschaft gibt. Rechtsicherheit in dieser komplexen Materie wollen alle Seiten. Auch will niemand die nun oft zitierten „Bagatellnutzungen“ verbieten oder die Praxis von Uploadfiltern strapazieren, egal ob bei Bild, Text, Film oder Musik, - solange der Vergütungsanspruch erfüllt wird. Warum auch Gratisnutzung, wenn die großen Plattformen mit diesem Content Geld wie Heu scheffeln?

Der in den Stellungnahmen häufigste Verweis gilt dem deutschen Novellenentwurf, der mittlerweile bereits umgesetzt ist und zu Recht von den Urheberinnen akklamiert wird. Chapeau! Unsere Nachbarn waren nicht nur schnell, sondern haben im Interessenausgleich zwischen Urhebern, Nutzern und den großen Internet-Plattformen die Direktvergütung, die Vergütung der Bagatellnutzung, die Kollektivlizenzierung sowie viele Forderungen im Vertragsrecht verbindlich ins Gesetz gebracht. Ich erspare der Leserschaft hier die legistische Buchstabensuppe, die es auszulöffeln gälte, um all diese Begrifflichkeiten schlüssig zu verstehen…

Offene Baustellen bleiben

Hierzulande bleiben leider einige Baustellen offen. Es braucht dringend die Möglichkeit der Massenlizenzierung gegenüber den Internetgiganten, denn diesen wird nicht durch einzelne Urheberinnen beizukommen sein.

Auch an der notwendigen Differenziertheit, unterschiedliche Kunstsparten gemäß ihren spezifischen Verwertungsketten und Strukturen zu behandeln, mangelt es. Der Diskurs wird dominiert von der jahrzehntelangen Uneinigkeit zwischen der Film- und Musikindustrie und deren Urheberseite. Dass die Novelle in diesen Kunstbereichen in Richtung Einzellizensierung potenter Major-Musiklabels und Filmproduzenten tendiert, bringt als unmittelbares Resultat eine eklatante Benachteiligung des Bild-Sektors mit sich, der im Gegenteil eine Kollektivlizensierung braucht. Für den Bild-Sektor, in dem die einzelnen Urheberinnen keine vergleichbare Verhandlungsmacht gegenüber den großen Plattformen besitzen, ist eine effektive Rechtebündelung über eine Verwertungsgesellschaft essenziell. Denn bei milliardenfacher Verwendung von urheberrechtlich relevanten Bildern wären die Social-Media-Plattformen sonst kaum in die Pflicht zu nehmen. Allein in diesem Detail diskriminiert die zur finalen Entscheidung vorliegende Novelle nolens volens die große Personengruppe von Urhebern im Bildbereich.

Was lange währt, wird endlich gut, - dieser Bonitätsreflex trifft also wenig auf die österreichische Ausgestaltung der Novelle zu. Endend gut wäre in diesem Fall das passendere Bonmot. Dass unsere politischen Entscheidungsträger das maßgebliche Ziel der Richtlinie, die angemessene Vergütung der Urheber gesetzlich zu gewährleisten, nicht erfüllen, passt nicht zum Selbstverständnis einer ausgewiesenen Kulturnation.

Mag. art Michael Kos ist Bildhauer und Objektkünstler, lebt und arbeitet in Wien und in Retz/NÖ.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

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