Gastkommentar

Es reicht! Wie kommen unsere Kinder dazu?

Durchwachsenes Bild: Manche Kinder gehen weiter in die Schule, andere nicht.
Durchwachsenes Bild: Manche Kinder gehen weiter in die Schule, andere nicht.imago images/Stefan Zeitz
  • Drucken

Jetzt also putzt man sich an den Kindern ab, steckt die Hände in den Sack und verkündet: Reduziert zwar Kontakte, aber macht dabei mit Euren Gschrappen was ihr wollt.

Wie kommen unsere Kinder dazu? Und wir Eltern? Es kann doch nicht sein, Schüler und Schülerinnen, die aus bekannten Gründen den Präsenz-Unterricht meiden, ein derart mieses Gefühl, ein schlechtes Gewissen und obendrein eine immense Arbeitsüberforderung zu verpassen? Ich lass es mir gerade noch einreden, als Geimpft- & Geboosterter aus Solidarität für meine Mitmenschen zum vierten Mal alles abzusagen, Zuhause zu bleiben. Obwohl es nach bald 650 Tagen Pandemie, Gratistests, Gratisimpfungen, usw. irgendwann auch einmal Schluss sein muss mit dem guten Willen.

Gastkommentare und Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

>>> Mehr aus der Rubrik „Gastkommentare“

Die Impfpflicht nämlich besteht bereits seit Zulassung der Impfung. Die Pflicht auf uns und unsere Mitmenschen zu achten, auf die Tragfähigkeit unseres Sozialsystems. Die Pflicht zu erkennen, welch privilegierte Situation es ist, überhaupt diese Impfung zu besitzen, und folglich dafür sorgen zu können, ein Land nicht an die Mauer zu fahren.

Sessellift offen, Theater und Kinos zu

Ich lass es mir schon deutlich schwerer einreden, aufgrund meiner Solidarität neuerlich auf Einkommen verzichten zu müssen. Gondeln und Sessellifte mit Sitzheizung und Wetterschutzhauberl sperren auf, Buchhandlungen, Kinos, Theater, etc. bleiben zu, trotz 2G+. Frage: Wenn wir Österreicher schnell in Skischuhe, Helm, Skibrille schlüpfen, Skistecken vielleicht nicht, dürfen wir dann alle wieder in die Arbeit stapfen?

Den größten Schwachsinn trage ich mit. Die Rückgratlosigkeit der Entscheidungsträger auf dem Rücken unserer Kinder austragen zu lassen aber kommt nicht in Frage. Wie kann man sich damit brüsten, es wären ja haufenweis Schülerinnen und Schüler in den Präsenzunterricht gekommen, ohne darauf hinzuweisen, warum! Weil sie haufenweis' Angst haben, etwas zu versäumen, nicht mehr mitzukommen, weil sie massiven Druck erfahren, organisatorisches Chaos, weil sie gönnerhaft hören: „Wenn die Kinder oder Eltern es wollen, können sie auch Zuhause bleiben!“ Es muss aber lauten: „Wenn die Kinder oder Eltern es wollen, können die Kinder auch in die Schule kommen, besser wäre es, Zuhause zu bleiben! Es gilt: Keine Tests und Schularbeiten, kein neuer Stoff.“ Oder wurde der vierte Lockdown ausgerufen, nur um dem eigenen Unvermögen einen Namen zu geben?

Ein Coronafall pro Klasse ist noch okay 

Wenn hier jemand dringend Präsenzunterricht braucht, dann jene, die den Pferden ihr Entwurmungsmittel wegschlucken und mit Aluhüten auf den Köpfen die NS Zeit verharmlosen. Jene, die jegliche Verantwortung ihren Mitmenschen gegenüber verweigern, dabei sehenden Auges Existenzen ruinieren, sich aber trotzdem im Notfall die Rosinen herauspicken wollen, in allen Belangen. Von jeder finanziellen Unterstützung bis Intensivstation.

Jetzt also putzt man sich an den Kindern ab, steckt die Hände in den Sack und verkündet: Reduziert zwar Kontakte, aber macht dabei mit Euren Gschrappen was ihr wollt. Und macht euch keine Sorgen: Ein Coronafall pro Klasse ist noch total okay, gar kein Problem, bitte in die Schule kommen. Zwei Coronafälle pro Klasse sind dann aber Uiuiui, da schalten wir doch besser um auf Distanz-Learning. Geht’s noch? Es reicht!

Eine gekürzte Variante dieses Textes ist am vergangenen Samstag im „Kurier“ erschienen.

Thomas Raab (geboren 1970) ist ein österreichischer Schriftsteller und wurde bekannt durch seine Krimis um Restaurator Metzger.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Mitreden: Geöffnete Schulen – die richtige Entscheidung? Diskutieren Sie mit!

>>> Hier geht's zum Forum

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2021)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.