Gastkommentar

Der andere Schumpeter

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Aus hitzig geführten Debatten über Kopftuchverbot, 3-G-Regel oder Genderstern abzuleiten, dass die pluralistische Gesellschaft gescheitert sei, greift zu kurz.

Die heutige Sicht auf den großen österreichisch-amerikanischen Nationalökonomen Joseph Schumpeter ist geprägt durch sein Werk „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“, entstanden 1910/1911. Schumpeter hatte damals seine erste Professur an der Universität Czernowitz (heute Tscherniwzi in der Ukraine), der östlichsten Universität der k. u. k. Monarchie. In dieser ärmsten Region der österreichischen Reichshälfte entwickelte Schumpeter seine Vision des „Pionierunternehmers“ als des heroischen Trägers wirtschaftlicher Dynamik.Dieser Gastkommentar ist auf der Schumpeter-Seite der "Presse" erschienen. Die Seite entsteht in Kooperation mit der Schumpeter-Gesellschaft. Die von Gastautorinnen und -autoren verfassten Beiträge müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

Die Publikation Schumpeters, die die weitaus größte Verbreitung fand, ist freilich sein als Professor an der Harvard Universität verfasstes Werk „Capitalism, Socialism and Democracy“. Noch heute ist dieses Buch Pflichtlektüre für Studierende in den USA, im deutschen Sprachraum wird es wenig gelesen. Schumpeters Ziel in dieser Studie ist die Einbettung der Perspektiven der „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“ in eine umfassende Sicht der gesellschaftlichen und politischen Dynamik.

Letztlich kommt Schumpeter – widerstrebend – zum Schluss, der Kapitalismus werde nicht überleben. Und zwar nicht wie bei Marx, mit dem sich Schumpeter ausführlich beschäftigt, wegen der Fehler eines kapitalistischen Systems, sondern wegen seiner Erfolge. Reichere, durch allgemeines Wahlrecht bestimmte Gesellschaften werden nicht mehr bereit sein, die sozial-darwinistische Härte eines „reinen Kapitalismus“ zu akzeptieren. Konzerne werden durch zunehmende Bürokratisierung gekennzeichnet, was zu Schwächung der Innovationskraft führen wird.

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