Kinect für Xbox 360 im Test: Bewegter Spaß mit viel Platzbedarf

(c) Clemens Fabry
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Voller Einsatz ist gefragt: Microsofts neue Bewegungssteuerung Kinect muss sich in einem schweißtreibenden "Presse"-Test bewähren. Die Hardware funktioniert gut, doch bei den Spielen muss sich noch etwas tun.

Die Freundin lacht und amüsiert sich königlich. Kein Wunder, bringt das Spielen mit Kinect doch zahlreiche unnatürliche Verrenkungen mit sich. Microsofts Bewegungssteuerung für die Videospielkonsole Xbox 360 fordert vollen Körpereinsatz von bis zu zwei Beteiligten gleichzeitig. Wobei es selbst für eine Person oft unmöglich ist, damit zu spielen. Doch dazu später.

Als Antwort auf den Erfolg von Nintendos Wii und als Konkurrenz zu Sonys PlayStation Move gedacht, wendet sich Microsoft mit Kinect an die schwer erfassbare, aber heiß umkämpfte Gruppe der „Casual Gamer“. Jene Spieler, die vielleicht nur am Wochenende oder auf Partys mit Freunden ein paar Minuten oder eine halbe Stunde spielen möchten. Die, über die „echte“ Spieler die Nase rümpfen, weil sie ihnen in Ballerspielen wie „Halo“ nie das Wasser reichen können.

Handarbeit. Kinect besteht aus einer dezenten schwarzen Sensorleiste und nutzt eine Infrarotkamera, um Position und Bewegungen der Spieler zu erfassen. Das klappt gespenstisch zuverlässig. Lässt man eine minutenlange, aber witzig gemachte Registrierungsprozedur über sich ergehen, erkennt einen der Sensor sogar wieder, sobald man sich davor stellt. Mit der Hand fährt man über Menüpunkte, lässt sie kurz darüber schweben, und schon ist die Option ausgewählt. Filme aus Microsofts Zune Videomarktplatz lassen sich nur mit der Hand vorspulen, pausieren und fortsetzen. Wer jetzt an Tom Cruise in „Minority Report“ denkt, liegt richtig. Dazu kommt noch die Möglichkeit, mit Freunden per Videochat zu kommunizieren.



Platz da!
Um Kinect aber sinnvoll nutzen zu können, sollte man einen Platz von etwa zwei mal drei Metern vor dem Fernseher zur Verfügung haben. Da liegt auch der Hund begraben. Nicht jeder hat ein ausladendes Wohnzimmer zur Verfügung. Und für die meist noch kleineren Kinderzimmer, in die viele Eltern Videospiele gern aus ihrer Wahrnehmungssphäre verbannen, stellt sich dieses Problem erst recht.

Im Test war selbst in einem geräumigen Wohnzimmer die Couch schnell im Weg, besonders, wenn man die Spiele zu zweit spielen möchte. Versehentliche Kinnhaken inklusive.

In Form.
Bei den Spielen gibt es zum Start noch eine überschaubare Auswahl. Das mitgelieferte „Kinect Adventures“ kann als Appetizer gewertet werden, langfristig nutzen sich die darin enthaltenen Minispiele aber bald ab. Anders etwa Ubisofts „Your Shape“. Dieses bietet zahlreiche Fitnessübungen und einen Coach, der gnadenlos Fehler bemängelt. Gymnastikspiele und Tai-Chi-Übungen sorgen für Auflockerung. Daran findet sogar die Freundin Gefallen. „Deutlich besser als Wii Fit“, lautet ihr für Nintendo vernichtendes Urteil. Weniger gut gefällt ihr aber „Dance Central“, das für diverse Tracks Tanzbewegungen in mehreren Schwierigkeitsgraden abverlangt. Allerdings eher wegen der Musikauswahl im Lady-Gaga-Stil als deswegen, weil man sich bei den ersten Versuchen noch lächerlich macht. Auf jeden Fall ist in größerer Runde für Vergnügen gesorgt.

„Kinect Sports“ ist eine Sammlung an Sportaktivitäten und kann gemeinsam mit Freunden gespielt werden. Wie schon bei der Konkurrenz ist Laufen am Stand aber weniger prickelnd. Dafür machen Speer- und Diskuswurf (siehe Bilder) mehr Spaß. Die Kuscheltiersimulation „Kinectimals“ richtet sich an Kinder, könnte diese aber durch lange Leerlaufzeiten abschrecken. „Joyride“ ist ein unkompliziertes Autorennspiel, das Körperbewegungen als Stunts interpretiert.

Viel vor.
Fünf Millionen Stück Kinect will Microsoft bis Jahresende absetzen. Eine mutige Prognose, bleiben doch nicht einmal zwei MonateZeit dafür. Der schwarze Balken macht Spaß, aber er benötigt noch ausgefeiltere Spiele. „Your Shape“ und auch „Dance Central“ zeigen, wie man Ganzkörpersteuerung umsetzt. Das Platzproblem könnte aber viele abschrecken – abgesehen vom Preis von 150 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2010)

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