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Die Wiener Rothschilds. Ein Krimi

Zahlreiche hochkarätige Objekte und Leihgaben bieten im Jüdischen Museum einen Einblick in das bewegte Leben einer Familie.
Zahlreiche hochkarätige Objekte und Leihgaben bieten im Jüdischen Museum einen Einblick in das bewegte Leben einer Familie. David Bohmann
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Kultur. Eine Ausstellung im Jüdischen Museum Wien widmet sich der Geschichte einer legendären Familie.

Wien. Das Jüdische Museum Wien präsentiert bis 5. Juni 2022 eine Ausstellung über die Geschichte der Familie Rothschild in Wien und Österreich. Da die Leistungen und Errungenschaften der Wiener Rothschilds in Vergessenheit geraten sind, gilt es, sie mit dieser Ausstellung in Erinnerung zu rufen und ihre Spuren sichtbar zu machen.

Eine jüdische Erfolgsgeschichte

Auch antisemitische Anfeindungen gab es . . . Um kaum eine andere Familie in der Geschichte der Neuzeit ranken sich derart viele Mythen und Verschwörungserzählungen wie um die Rothschilds. Unsagbarer Reichtum, Einfluss auf die internationale Politik, die Wirtschaft, die Medien, bis hin zur Kontrolle über die Welt oder sogar das Wetter: Den Rothschilds wird alles nur Vorstellbare zum Vorwurf gemacht.

Der Aufstieg der Familie Rothschild setzte am Beginn des 19. Jahrhunderts ein. Am Anfang stand mit Mayer Amschel Rothschild ein aus bescheidenen Verhältnissen stammender Frankfurter Jude. Er machte durch viel Fleiß Karriere und schickte seine fünf Söhne in die Welt, einen davon nach Wien: Salomon von Rothschild. Er wurde Bankier des österreichischen Staatskanzlers Metternich und stieg schnell zu einem der führenden Unternehmer Österreichs auf. Der Name Rothschild wurde zum positiven Symbol für eine jüdische Erfolgsgeschichte, aber auch zum negativen Klischee in der antisemitischen Propaganda.

Ein Palais der Familie in der Prinz-Eugen-Straße wurde einst von einer Sphinx geschmückt.
Ein Palais der Familie in der Prinz-Eugen-Straße wurde einst von einer Sphinx geschmückt. Alfred Klahr Gesellschaft

Salomon Mayer von Rothschild

Salomon Mayer von Rothschild (1773–1855), der Begründer der österreichischen Linie, war 1821 nach Wien gekommen. Obwohl ein enger Berater von Staatskanzler Metternich, war ihm wie allen Juden ein Grundbesitz in Wien verboten und er mietete daher ein ganzes Hotel, das Zum Römischen Kaiser in der Renngasse 1. Später wurden er und seine Wiener Nachkommen zu den größten Grundbesitzern Österreichs.

Ihm ist zu verdanken, dass Österreich die erste Eisenbahnlinie, die Kaiser-Ferdinands-Nordbahn, erhielt. Um nicht von ausländischen Schienenlieferungen abhängig zu sein, baute Salomon von Rothschild die Witkowitzer Eisenwerke auf.

Aus seinem Bankhaus entstand die Credit-Anstalt, die zum Hauptfinancier der österreichischen Industrie wurde. Er investierte in neue Branchen, wie die Dampfschifffahrt, widmete sich der Rohstoffgewinnung, errichtete Mineralölraffinerien und organisierte ein Monopol für Quecksilbererzeugung.

Die Geschichte einer Familie

Die Geschichte der Rothschilds in Wien und Österreich liest sich in Teilen wie ein Krimi. Sie mussten sich gegen Konkurrenten durchsetzen, wurden in Konflikte verwickelt und mit antisemitischen Stereotypen konfrontiert. Immer wieder traten sie für ihre unterdrückten und verfolgten Glaubensgenossinnen und Glaubensgenossen ein und riefen viele Bildungs- und Wohltätigkeitsstiftungen für die Allgemeinheit ins Leben.

Die Wiener Rothschilds waren wiederholt in große politische, wirtschaftliche und soziale Konflikte verwickelt. Sehr eng waren ihre Beziehungen zum österreichischen Staatskanzler Fürst Klemens von Metternich (1773–1859). Entgegen seinem Ruf als reaktionärer Staatsmann war Metternich den Rothschilds immer wieder behilflich, wenn es darum ging, sich für verfolgte Jüdinnen und Juden einzusetzen – so zum Beispiel im aufsehenerregenden Ritualmordprozess im Jahr 1840 in Damaskus. Eine große Krise erschütterte das Haus Rothschild in Wien während der bürgerlichen Revolution des Jahres 1848. Im Unterschied zu den meisten Wiener Jüdinnen und Juden, die liberal gesinnt waren und ein Ende des Feudalsystems herbeisehnten, hielten die Rothschilds eisern zu Metternich und finanzierten ihm seine Flucht aus Wien. Unter dem Druck der Ereignisse musste schließlich auch Salomon von Rothschild inkognito bei Nacht und Nebel die Stadt verlassen – eine Geschichte, die Stoff für einen Kriminalroman abgäbe.

Salomon kehrte nie wieder nach Wien zurück, und es oblag seinem Sohn Anselm, die Wiener Geschäfte zu konsolidieren und wieder in ruhige Bahnen zu lenken, was ihm mit der 1855 gegründeten Credit-Anstalt für Handel und Gewerbe gelang. Anselm von Rothschild legte auch den Grundstein für die erlesene Kunstsammlung der Wiener Rothschilds.

Wohltätigkeit als Pflicht

Im Judentum ist die Zedaka, die Wohltätigkeit, eine Pflicht, die schon in der Tora festgeschrieben ist. „Verschließe nicht deine Hand vor deinem bedürftigen Bruder. Nein, öffnen sollst du – öffne du ihm deine Hand!“ (5. Buch Mose 15, 7–8) Dieser Verpflichtung kam die Familie Rothschild mehr als großzügig nach. In Österreich entwickelte sie sich zum außerordentlichsten Förderer. So wurden nicht nur enorme Summen für Kunst und Kultur, die Museen und Konzerthäuser oder auch großzügige Gartenanlagen für die Allgemeinheit zur Verfügung gestellt, sondern vor allem auch für soziale, medizinische und humanitäre Einrichtungen: Krankenhäuser, Stiftungen für notleidende Künstler, Waisenhäuser oder das Blinden- und Taubstummeninstitut.

Architektur von Bedeutung.
Architektur von Bedeutung.David Bohmann

Prachtvolle Palais

Emotionslos kann man wohl kaum über das Ende des Wiener Zweigs der Familie in Österreich sprechen. Im Gegensatz zu vielen anderen jüdischen Entrepreneuren schrieben sich die Rothschilds aber nicht beim Bau der Ringstraße ein, sondern errichteten ihre prachtvollen Palais im vierten Bezirk, um die heutige Prinz-Eugen-Straße.

Nach dem Ersten Weltkrieg und während der Zwischenkriegszeit musste die Familie – bedingt durch die Bankenkrisen – auch Verluste hinnehmen, gleichzeitig wurden die Rothschilds zum Kulminationspunkt der antisemitischen Hetze. Louis Rothschild, der im Gegensatz zu seinen Brüdern in Wien geblieben war, vor allem, um seine jugendlichen Nichten zu schützen, wurde unmittelbar nach dem „Anschluss“ im März 1938 verhaftet und musste 14 Monate in Isolationshaft verbringen. Er konnte das Land erst verlassen, nachdem ihm der gesamte Familienbesitz geraubt worden war. In das Palais Rothschild in der Prinz-Eugen-Straße zog der Organisator der Shoah, Adolf Eichmann, ein. Nach dem Krieg wurde das Palais restituiert und an die Arbeiterkammer verkauft. Einen Großteil seines restituierten Grundbesitzes in Niederösterreich schenkte Louis Rothschild der Republik, und die Mehrheit des geraubten Vermögens wurde restituiert, doch musste die Familie wesentliche Werke österreichischen Museen „widmen“. Die Restitution zieht sich bis in die Gegenwart.

Die Familie Rothschild ist in der Sammlung des Jüdischen Museums Wien gut dokumentiert. Im Besitz des Jüdischen Museums Wien befindet sich eine Sammlung von etwa hundert Fotos, die von Albert von Rothschild (1844–1911) stammen, der ein leidenschaftlicher Hobbyfotograf war. Die Genreszenen und Porträts erlauben einen Einblick in das Leben des Wiener Zweigs der Familie. Das Museum konnte diese Fotosammlung Anfang der 1990er-Jahre erwerben.

Ein weiteres spannendes Objekt ist eine Stiftertafel, die durch einen großen Zufall den Weg ins Jüdische Museum Wien gefunden hat. Beim Umbau eines Gartenhauses in einer Kleingartensiedlung im 14. Wiener Gemeindebezirk wurde in einer Wand eine Tafel entdeckt, die als Baumaterial verwendet worden war. Darauf zu finden waren die Namen der aristokratischen beziehungsweise jüdischen Spender für eine Sozialeinrichtung. Diese Stiftertafel stammte offenbar aus einer medizinischen Institution für Wöchnerinnen und war beim Abriss – vermutlich in den Nachkriegsjahren – im Bauschutt gelandet und dann wiederverwertet worden. Unter den zahlreichen Stifterinnen und Stiftern wird auch Salomon Mayer von Rothschild genannt. Das ist nur ein kleines Beispiel der Wohltäterschaft der Rothschilds in Österreich.

Porträts sind ebenfalls in der Ausstellung zu sehen.
Porträts sind ebenfalls in der Ausstellung zu sehen.David Bohmann

Überraschende Objekte

Die Ausstellung „Die Wiener Rothschilds. Ein Krimi“ im Museum Dorotheergasse zeichnet sich auch durch besondere Objekte und Leihgaben aus. Zum Beispiel ist ein Gemälde des bedeutendsten holländischen Porträtmalers des 17. Jahrhunderts, Frans Hals, zu sehen.

Leihgaben aus österreichischen Museen sind unter anderen ein Modell des Wiener Nordbahnhofs aus dem Technischen Museum oder ein auf einer Safari erlegtes Krokodil, das 1930 von der Familie Rothschild an das Naturhistorische Museum übergeben wurde.

Eine steinerne Sphinx, die die Besucherinnen und Besucher gleich zum Beginn der Ausstellung begrüßt und Teil des ehemaligen Palais an der Prinz-Eugen-Straße war, steht stellvertretend für die oft vergessene Geschichte der Rothschilds in Wien.

Auf einen Blick

Ausstellung: „Die Wiener Rothschilds. Ein Krimi“

Dauer: bis 5. Juni 2022

Jüdisches Museum Wien, Dorotheergasse 11, 1010 Wien

So bis Fr 10 bis 18 Uhr, Sa geschlossen

Tel: +43 1 535 04 31, E-Mail: info@jmw.at

Führung: 26. Jänner, 16 bis 18 Uhr

Web: www.jmw.at

Information

Dieser Beitrag erscheint mit finanzieller Unterstützung des Jüdischen Museums Wien.


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