Gastkommentar

PCR-Test-Vergaben: Eine Richtigstellung

(c) Peter Kufner
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Fehler im Einkauf zu Beginn der Pandemie rechtfertigen keine andauernde Kritik an den staatlichen Einkaufsstrukturen.

Zu Beginn der Pandemie hat der Staat keine gute Figur beim Einkauf von Masken und anderer Schutzausrüstung gemacht. Ausschreibungsfreie Notvergaben haben zweifelhaften Anbietern zu Großaufträgen verholfen, die heute Gegenstand von Untersuchungen der Strafbehörden sind. Das gilt auch für die Vergabe von PCR-Tests, bei denen mancher Auftraggeber Glücksrittern aufgesessen ist und mehr privaten Netzwerken vertraut hat als dem vergaberechtlichen Wettbewerb. Das Bild hat sich aber stark geändert.

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Bereits Ende 2020 hat die Bundesbeschaffung GmbH (BBG) 20 Anbieter in einer Rahmenvereinbarung für die „Durchführung von Sars-CoV-2 (Covid-19) PCR Testungen inkl. Präanalytik für öffentliche Auftraggeber in Österreich“ versammelt, aus der Bundes- und Landesstellen abrufen können. Das Instrument der Rahmenvereinbarung wurde Mitte 2021 von der BBG nochmals genutzt und umfasst nun 22 Rahmenvereinbarungspartner für Leistungen von „Screeningmaßnahmen“ („Gurgeltests“) bis hin zum Betrieb kompletter Teststraßen. So gut wie alle öffentlich angebotenen PCR-Tests, mit Ausnahme der Apotheken-Tests und einiger Sonderausschreibungen in Bundesländern, laufen heute über diese Rahmenvereinbarungen. Sieben Gründe, weshalb das auch bei einer bundesweiten Neuausschreibung der PCR-Tests, wie sie die Gecko-Kommission für einen Ausbau des Testsystems ab April dieses Jahres angekündigt hat, so bleiben soll:

Pandemie-Einkauf ist Chefsache: Der öffentliche Einkauf wird in seiner strategischen und volkswirtschaftlichen Bedeutung immer wieder unterschätzt. Ein österreichweiter Chief Procurement Officer wäre für rund 14 Prozent des BIPs verantwortlich. Auch die Pandemiebekämpfung ist ein Milliardengeschäft und benötigt professionelle Einkäufer. Die BBG verfügt über diese Kernkompetenz.

Wer zahlt, trägt die Verantwortung: Alle angebotenen „Gratis-PCR-Tests“ gehen letztlich auf das Konto des Bundes. Es ist eine wiederkehrende Forderung der Rechnungshöfe, dass Kompetenzen im Gleichklang mit Zahlungspflichten verteilt werden. Die BBG ist eine 100-prozentige Tochter des Finanzministeriums, also des Bundes. Nicht rechtlich, sondern rein sachpolitisch ist die vorgelagerte Frage nach der Höhe des Beschaffungsbedarfs zu klären, also wie viel auf Kosten des Steuerzahlers überhaupt getestet werden soll.

Föderale Strukturen schaden:So wichtig Subsidiarität und Regionalität bei öffentlichen Beschaffungen im Allgemeinen sind, so hinderlich sind sie in der Pandemiebekämpfung. Das zeigt sich seit zwei Jahren bei den länderspezifischen Bewegungseinschränkungen und gilt auch für den Einkauf. Es wäre dem Steuerzahler nur schwer erklärbar, weshalb er für dieselbe Leistung regional stark unterschiedliche Preise zahlen soll. Nur ein gebündelter, zentralisierter Einkauf verringert Preise systematisch, standardisiert Qualitäten und kann Leistungsausfälle kompensieren. Die bisherigen Entwicklungen bei den PCR-Test-Preisen bestätigen die Vorteile eines zentralen Einkaufs.

Rahmenvereinbarungen sind das richtige Instrument: Das Bundesvergabegesetz kennt das Instrument der „Rahmenvereinbarung“ seit vielen Jahren. Es poolt EU-weit präqualifizierte Unternehmen in einem transparenten ersten Schritt und lässt in einem zweiten alle abrufberechtigten Einheiten (z. B. Ministerien oder Bundesländer) vom Sammeleinkauf, insbesondere bei den Staffelpreisen je Abrufmenge, profitieren. Dies erfolgt entweder durch einen raschen Direktabruf aus den bereits ausgepreisten Produktkatalogen oder – bei geänderten Anforderungen – im Wege eines „erneuten Aufrufs zum Wettbewerb“. Durch den Einsatz dieses stabilen Instruments, insbesondere aufgrund gesicherter Rechtsprechung, haben wir uns in Österreich teure Experimente mit „ausschreibungsfreien Einkaufsalternativen“ (Stichwort: „Open-house-Modelle“) erspart. Dieses von manchen Beratern als besonders „innovativ“ gepriesene Vorgehen zum Abschluss von pauschalen Masse-Rabattverträgen funktioniert in Zeiten eines Angebotsüberschusses schlicht nicht. Siehe Deutschland, wo das Open-house-Modell zu einer Klagsflut vor den Zivilgerichten geführt hat.

Abruf ist genauso wichtig wie Ausschreibung: Der Einkauf endet nicht mit dem Zuschlag. Angesichts des im Pandemiemanagement erforderlichen „Fahrens auf Sicht“ müssen PCR-Tests (oft wochenweise) flexibel abgerufen werden können. Dafür benötigt es den erforderlichen elektronischen Marktplatz, von der Bestellung bis zur Rechnungslegung und Bezahlung. Gerade der Aufbau von Test-Infrastruktur erfordert hohe Investitionen in Geräte und Personal, die zügig geprüft und freigegeben werden müssen. Dieser Prozess kann aufgrund der hohen Stückzahlungen nur in strukturiert digitaler Form erfolgen. Der „e-Shop“ der BBG erfüllt diesen Job.

Der „Anwalt der Republik“ sitzt am Tisch: Die Finanzprokuratur sichert als Rechtsvertreter der BBG die Interessen des Bundes sowohl im Stadium der Ausschreibungen (insbesondere durch Vertretung bei Vergabekontrollverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht) als auch bei Meinungsverschiedenheiten in der vertraglichen Abwicklung. Das Team „BBG-FinProk“ ist eingespielt und auf rechtlicher Augenhöhe mit jedem durch einen spezialisierten Rechtsanwalt vertretenen Bieter oder Auftragnehmer. Das ist auch notwendig: Allein von einem Anbieter wurden im letzten halben Jahr sechs Vergabekontrollverfahren gegen die Republik eingeleitet und vier weitere gegen Tirol, Burgenland, Kärnten und Vorarlberg. Jeder Einspruch bedeutet nicht nur ein finanzielles Risiko (siehe das zuletzt vom Bundesverwaltungsgericht verhängte Bußgeld von 500.000 Euro wegen unzulässiger Mehrleistungen bei Schultests), sondern potenziell auch Zeitverzögerung oder Totalausfall von eingeplanten Lieferungen.

Keine besseren Alternativen:In letzter Zeit gab es vereinzelt laute Rufe nach Veränderung bei PCR-Test-Ausschreibungen. Man müsse das System komplett neu ausrichten, etwa durch Bündelung der Einkaufskompetenz beim Gesundheitsministerium und der operativen Unterstützung durch „dezentrale Beschaffungszentren“ (?). Auch der Gedanke des Einkaufs durch „Vergabe-Berater“, mit gewerberechtlicher (Unternehmensberater) oder freiberuflicher (Rechtsanwälte) Befugnis, schwingt mit. Diese Ansätze sind abzulehnen, weil sie fast alle angeführten Vorteile verfehlen und keine besseren oder gleichwertigen Perspektiven eröffnen. Neu denken ist nicht immer besser machen.

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