ORF-Sprecher Strobl: Der Gendarm am Küniglberg

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Der ehemalige Grünen-Politiker und Lokalbesitzer gilt als „Architekt der Generaldirektion Wrabetz“ – und wurde vielfach kritisiert.

Kommunikation ist sein Geschäft. Zumindest kann Pius Strobl das seit Jahrzehnten einigermaßen glaubhaft vermitteln. Umso erstaunlicher, dass der ehemalige Bundessprecher der Grünen nun über einen bemerkenswert ungeschickten Lapsus gestolpert ist. Am Rand der denkwürdigen Sitzung des Stiftungsrates, in der Informationsdirektor Elmar Oberhauser abgewählt wurde, hatte Strobl als ORF-Konzernsprecher einer Mitarbeiterin aufgetragen, alle Gespräche zwischen Journalisten und ORF-Mitarbeitern aufzuzeichnen. Als sich unter Journalisten wie ORF-Direktoren heftige Kritik rührte, ruderte er zurück und bagatellisierte die Aktion. Die Aufzeichnungen sollten bloß „eine Art Stimmungsbericht“ für die Kollegen in den Bundesländern liefern, sagte er. Am Freitag zog er nun die Konsequenzen und hat seinen Rücktritt bekannt gegeben.

Auch wenn die Aufnahmen längst gelöscht sein sollen, die erhitzten Gemüter wollten sich nicht beruhigen. So wehte dem erst kürzlich zum dritten Mal Vater gewordenen Strobl (Sohn Julius Xaver ist 18 Monate alt) ein ausgesprochen rauer Wind entgegen. Den kannte er eigentlich schon: Der 54-jährige gebürtige Burgenländer, der früher Gendarm war, musste seit seiner überraschenden Bestellung zum Kommunikations- und Marketingchef des ORF im Jahr 2007 oft Kritik einstecken. Eine „verheerende Optik“ attestierte der damalige Vizekanzler Wilhelm Molterer (VP) dem Aufstieg Strobls vom Grünen-Stiftungsrat zum Konzernsprecher. Dass er die rechte Hand von Alexander Wrabetz wurde, nachdem er zuvor wochenlang im Stiftungsrat Stimmung für ihn gemacht hatte, nahmen ihm auch andere übel.

Dem ORF ist Strobl seit Langem eng verbunden. Nicht nur, weil er von 1989 bis 2006 mit kurzen Unterbrechungen im Stiftungsrat saß. Waren es früher Lokale in ORF-Immobilien, wie das Radiokulturcafé in der Argentinierstraße, das er bei Antritt seiner ORF-Position verkauft hat, so gibt es seit einiger Zeit auch eine private Verbindung: Ehefrau Eva Pölzl (35) moderiert seit Dienstag wöchentlich die neue Dating-Show „Single mit Kind sucht“.

Die Abhöraktion hat Strobl nun zum Abgang bewegt. FPÖ und BZÖ forderten seine Suspendierung unter Wegfall sämtlicher Bezüge, FP-Stiftungsrat Norbert Steger kündigte sogar eine Anzeige gegen Strobl an. Gerade diese Bezüge (rund 15.700 Euro, 14-mal, plus Prämien) wurden schon früher angeprangert. Die häufigste Kritik an ihm lautet aber: Der ORF sei in der Öffentlichkeit noch nie so schlecht dagestanden wie während seiner Amtszeit. AWA

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2010)

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