Pizzicato

Zurück in der UdSSR

Back in the USSR“, der Opener des „Weißen Albums“, hebt mit einem Intro aus dem Startgetöse eines Jumbo-Jets und jaulenden Gitarrenriffs an.

Die Beatles, mehr oder wenig zugedröhnt während ihrer Auszeit im indischen Ashram, hatten Spaß, als sie den Song im August 1968 schließlich in London einspielten – just zu der Zeit, als Sowjet-Panzer den Prager Frühling niederwalzten.

Manche sahen darin eine Glorifizierung der Sowjetunion zur grimmigen Zeit des Kalten Kriegs und des Breschnewismus. Doch es war wohl vielmehr eine ironische Hommage an osteuropäische Frauen: „The Ukraine girls really knock me out . . . And Moscow girls make me sing and shout.“ Kein Wunder, dass das Liedchen als Parodie zu „Back in the USA“ in der UdSSR zum Kultsong avancierte.

Nun, da russische Raketen den Kiewer Frühling radieren, erlebt die Welt ein Déjà-vu. Die Russen fühlen sich versetzt in die Zeit vor Glasnost und Perestroika, in die graue Ära des Augenbrauen-Diktators Leonid Breschnew. Ohne „dekadenten Kulturimperialismus“, ohne Apple und Netflix, Nike und Adidas, Starbucks und Levi's, Coca-Cola und McDonald's, H & M und Ikea, sind sie zurückgeworfen in die Sowjet-Tristesse. Der Beatles-Song trägt den Sound des Sarkasmus, und der „Putinismus“ schmeckt schal wie harte Pelmeni und Blini, wie abgestandener Borschtsch und Krimsekt. (vier)

Reaktionen an: thomas.vieregge@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2022)

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