Maxim, vor dem Krieg. Boryslaw, Ukraine.
Schule

Herr Lehrer, erzählen Sie vom Krieg

Unser Autor berichtet aus dem Schulalltag: Die Angst vor einem Krieg, der nach Österreich kommt, sieht er kaum – für die Kinder ist die Gefahr durch Nuklearwaffen eher ein Thema.

Die Pferde! Wenn die Russen kommen, muss ich die Pferde in Sicherheit bringen! Weil die werden sonst mitgenommen und womöglich geschlachtet!“ Wer mit Kindern den Ukraine-Krieg erarbeitet, erfährt viel – am meisten über die kindliche Psyche. „Die Russen lieben Pferde – aber sie essen sie auch!“, weiß meine Schülerin, eine 13-jährige begabte Turnierreiterin. Bei den größeren Kindern, zwei Klassen darüber, sind die Themen schon weniger unorthodox. Hier stehen Fragen nach Waffengattungen, Einheiten, militärischen Möglichkeiten und den Chancen der Verteidiger im Vordergrund. „Kann man die Russen nicht mit Scharfschützen aufhalten? Auf den Hochhausdächern?“ „Wie weit kann man damit schießen?“ Eine Stunde über den Ukraine-Krieg ist auch eine Debatte über in Österreich schon fast Exotisches: Waffen.

„Was ist überhaupt Artillerie?“ Das fragt ein 16-Jähriger. Was sind diese Streubomben, von denen die Kinder gehört haben? Ich erzähle den Kindern, was ich selbst weiß, und suche parallel das Netz nach den Wörtern SSG-69 und der Funktion von Streubomben ab. Umgehend bestraft mich der Algorithmus des Schulservers mit einer Suchverweigerung: Bei der vermeintlichen Suche nach sexualisierten Inhalten sowie Waffen geht es nicht weiter. Waffen sind etwas sehr Fremdes geworden im Unterricht. Freilich: „Kriege gehören ins Museum“, so steht es pointiert am Eingang des Heeresgeschichtlichen Museums in Wien. Wenn er aber doch da ist, der Krieg. Was dann? Welche inhaltliche Färbung kann meine inhaltliche Erarbeitung haben? Im Beispiel oben haben die Kinder die Richtung vorgegeben. Ich kann natürlich auch etwas über zu Tode verängstigte Kinder in den U-Bahnschächten von Kiew erzählen. Mache ich aber nur kurz. Weil es eine Opferperspektive ist. Und eine solche ist nur begrenzt handlungsermächtigend. Geschichte sollte weiterfragen. Was kann man im jeweiligen historischen Kontext machen? Oder im Falle der Ukraine: Welche Möglichkeiten habe ich, positiv einzugreifen? Im kleinen Mikrokosmos bei mir? Vom Spendensammeln über Mut-Briefe bis zu der in der Klasse befestigten ukrainischen Fahne. Wie kann im Großen gehandelt werden? Sind die Geldspenden, zu denen dauernd geraten wird, wirklich die einzige Möglichkeit? Die Kinder haben einen irrsinnigen Drang, selbst etwas zu tun, visualisiert zu helfen. Was wird in der Ukraine gebraucht? Wo in der Schule sammeln wir Medikamente, Essen und andere Hilfsgüter? Wer fährt an die Grenze?

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