Biologie

Der Lebensraum Donau muss attraktiver werden

Für die im Wasser lebenden Organismen ist Österreichs größter Fluss problematisch. Forschende eines Christian-Doppler-Labors an der Boku Wien setzen sich für eine „nachhaltige Donau“ ein. Sie klären, welche Fische wann in den Abschnitten sind und wie man sie schützen kann.

Wenn es um die Donau geht, hat Thomas Hein von der Universität für Bodenkultur (Boku) in Wien nachdenklich stimmende Worte parat: Österreichs Paradefluss sei „aus ökologischer Sicht latent problematisch“ und „für die im Wasser lebenden Organismen kritisch“. Letztlich leide auch der Mensch, wenn ein Gewässer seinen Beitrag zum ökologischen Gleichgewicht nicht zu leisten vermag. Ein neues Christian-Doppler-Labor an der Boku soll nun die bereits laufenden Maßnahmen mit dem Ziel einer „nachhaltigen Donau“ unterstützen und noch effizienter machen.

Der Hydrobiologe untermauert die Notwendigkeit mit Zahlen: Der Bestand an Nasen und Barben, der „Leitfische“ der Donau, sei in den vergangenen rund 100 Jahren um mindestens drei Viertel zurückgegangen, „und von den sechs Störarten, die es früher gab, ist nur noch eine einzige im österreichischen Abschnitt anzutreffen“. Hauptverantwortlich für diesen dramatischen Verlust von Biodiversität machen er und andere Experten die Zerstückelung des Flusslaufs durch Regulierungen und Kraftwerksbauten sowie die damit einhergehende Zerstörung von Lebensraum.

Solche Fakten lassen bei Naturschützern die Alarmglocken freilich nicht erst seit Kurzem schrillen: Ausgleichsmaßnahmen wie die Renaturierung einzelner Abschnitte oder die Schaffung von Aufstiegshilfen für Fische im Bereich von Kraftwerken gibt es schon seit vielen Jahren. „Die positiven Auswirkungen dieser Anstrengungen sind allerdings bisher hinter den Erwartungen zurückgeblieben“, bemängelt Hein. „Zum Teil, weil es sich dabei nur um Maßnahmen mit lokal begrenzter Wirkung handelt.“

20.000 Fische mit Chips verfolgen

Um das Projekt „nachhaltige Donau“ zu verwirklichen, müsse über einzelne Flussabschnitte hinausgedacht werden. Genau das will Hein mit seinem Team des „Christian-Doppler-Labors für Dynamik von Meta-Ökosystemen in regulierten Flusslandschaften“ tun. „Wir klären mit diesem neuen konzeptuellen Ansatz unter anderem, welche Gewässerabschnitte die Fische wann aufsuchen und welche sie meiden. Welche Lebensräume, die Fische in ihrem Lebenszyklus benötigen, stehen ihnen dort zur Verfügung und was tun sie dort? Was fehlt bestimmten Abschnitten, um sie für Fische attraktiv zu machen?“ Zu untersuchen sein werde insbesondere, wie sich Maßnahmen viele Kilometer davon entfernt auswirken. Dafür will das Team die Fischwanderung in der Donau quantifizieren sowie Wanderdistanzen und -zeiten erforschen. Bis zu 20.000 Fische werden mit injizierten Chips markiert, die automatisch erfassen, wann das betreffende Tier bestimmte Kontrollpunkte passiert. Außerdem sollen die bisher weitgehend verborgen lebenden Bodenfische der Donau mithilfe neuartiger elektrifizierter Bodennetze besser erforscht werden. „So gut wie alle Fische bleiben bei unseren Untersuchungen unversehrt“, beruhigt Hein.

Eine „Lebensraumkartierung“ zeigt den Zusammenhang zwischen den Aufenthaltszeiten der Fische und den ökologischen Bedingungen in den jeweiligen Regionen. So wollen die Forschenden ergründen, was es braucht, damit Fische bestimmte Zonen zum Rückzug, zur Nahrungsaufnahme, zur Paarung oder zum Laichen nutzen können.

Außerdem geht es darum, inwieweit voneinander getrennt lebende Teilpopulationen miteinander genetisch in Verbindung stehen. Zu diesem Zweck werden Fischen (Nasen) aus verschiedenen Flussabschnitten kleinste Gewebeproben entnommen und genetisch untersucht. Auch Umwelt-DNA-Information, die – etwa durch Abrieb von Schleimhäuten – ins Wasser gelangt, wird analysiert, um mehr über die Verteilung der einzelnen Fischarten zu erfahren.

Ziel sei, daraus Maßnahmen abzuleiten, die sich auf das Ökosystem im gesamten Donaubereich einschließlich seiner Zuflüsse und Augebiete positiv auswirken. Viadonau, Verbund und die Österreichischen Bundesforste, die als Wasserstraßenbetreiber, Energieerzeuger bzw. als Verantwortliche für die fischereirechtliche Nutzung schon bisher Anstrengungen um den Erhalt der Donau als Lebensraum unternommen haben, engagieren sich als Unternehmenspartner in dem neuen CD-Labor.

IN ZAHLEN

2850Kilometer weit fließt die Donau durch Europa. Damit ist sie nach der Wolga der zweitlängste Strom des Kontinents.

10 Länder durchquert bzw. berührt die Donau – und damit mehr als jeder andere Fluss der Welt. In Österreich liegen rund 350 Kilometer.

60 Fischarten
sind in der österreichischen Donau beheimatet. Neben Bachforelle und Flussbarsch gibt es individuenreiche Arten wie Nase und Barbe. In geringerer Anzahl kommen auch die großen Huchen (Donaulachs) vor.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2022)

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