Von Ost Nach West: Hemingway schreibt die Honv©d-Geschichte weiter

Die einstige Fußballmannschaft der ungarischen Armee wurde von einem ungarischstämmigen US-Geschäftsmann erworben.

Zolt¡n Czibor war in den 50er Jahren der Inbegriff der "Volksnähe" ungarischer Fußballer: Er wohnte tatsächlich im übernächsten Haus! Dass wir Kinder ihn kaum je zu Hause antrafen, wenn wir um Unterschriften bettelten, ließe sich noch mit dem offiziellen Status erklären: Er war nicht nur Kicker, sondern auch Offizier der "Volksarmee". Doch etwa acht Millionen Eingeweihte unter den neun Millionen Ungarn wussten: Das "Wunderteam" jener Zeit, das 1954 erst das WM-Finale gegen Deutschland verloren hatte, war im Armeeklub Honv©d konzentriert. Da ging es nicht um Landesverteidigung. Während die Bevölkerung ums täglich' Brot kämpfte, hatten die Stars ihr Auskommen.

Czibor war Linksaußen von Honv©d. Zu seinen Klubkollegen zählten Ferenc ("Öcsi") Pusk¡s, der spätere Rekord-Nationalspieler J³zsef Bozsik, Tormann Gyula Grosics und der damals erst 18-jährige Lajos Tichy. Nicht nur ungarische Experten hielten Honv©d für die beste Klubmannschaft zumindest Europas. Ihr Pech, dass es damals noch keinen Europacup (heute Champions League) gab. Nach Niederschlagung des Volksaufstandes von 1956 gingen die Stars fast geschlossen nach Spanien. Real Madrid (mit Pusk¡s, Czibor und dem ebenfalls aus Ungarn stammenden L¡szl³ Kubala) gewann den ersten Europacup der Landesmeister. Pusk¡s' Gegenspieler Lajos Kocsis war damals beim "falschen" Klub, nämlich dem FC Barcelona . . .

Honv©d Budapest wurde formell zwar schon 1909 gegründet, doch war dem Klub erst nach dem Zweiten Weltkrieg der durchschlagende Erfolg beschieden: fünf Meistertitel zwischen 1950 und 1955. In den 50 Jahren danach folgten noch acht, aber inmitten des Niedergangs des ungarischen Fußballs 2004 auch der bisher einzige Abstieg. Im Vorjahr landete die längst des Armee-Rückhalts beraubte Mannschaft auf Rang 13.

Das soll sich jetzt grundlegend ändern. Der italienische Geschäftsmann Piero Pini zog sich den Zorn der Fans zu, als er den Klub aus Kispest, dem 19. "Hieb" Budapests, in die Industriestadt Dunaºjv¡ros übersiedeln wollte. Er ist vergangene Woche ausgekauft worden. Eigentümer sind jetzt zwei eingefleischte "Honv©dianer": Der bisherige Geschäftsführer Zsolt Kiss hält 20 Prozent, die Mehrheit gehört George F. Hemingway.

Er ist kein Schriftsteller, der Mann, der einst den Allerweltsnamen György Szab³ trug und als Kind Honv©d die Daumen drückte. Nachdem er in New York Jus studiert und in Los Angeles als Firmenanwalt gearbeitet hatte, gründete er 1983 das Investmenthaus The Hemingway Group (THG), das mit Immobilien handelte und Restaurantketten betrieb. Nach der Wende in Ungarn kaufte er in der ehemaligen Heimat die Orient Rt., eine Holding von 120 Restaurants. Seine eigene "Hemingway Holding" ist seit 1990 an der Wiener Börse notiert, seit 2002 im "Dritten Markt".

Hemingway vulgo Szab³ will sich natürlich nicht auf den Fußball und die "Wand der ungarischen Sportstars" beschränken, deren Hauptsponsor er ist. Er hat die Franchise-Lizenz für "Pizza Hut" und "Kentucky Fried Chicken" in Ungarn. Und er hält als Gastprofessor an der Budapester Corvinus-Universität seit Jahren Vorlesungen. Titel: "Geschäft und Unternehmertum als Lebensform".

Honv©d ist der Inbegriff einer Nostalgie, die im Sport stärker ist als in anderen Lebensbereichen: Das Hängen an alten Namen. Was dem ungarischen Klub nie vergönnt war, schaffte nur eine Armeemannschaft: Steaua Bukarest gewann 1986 den Europacup der Meister (Ostalgie 17. Mai). Den UEFA-Pokal eroberte im Vorjahr das russische Pendant von Honv©d und Steaua: Die Stars von ZSKA Moskau sahen ebenfalls kaum je eine Kaserne von innen.

Auch sonst haben Relikte alter KP-Zeiten im Fußball überlebt. Crvena Svesda (Roter Stern) Belgrad erinnert an den ideologischen, Stadtrivale Partisan an den Partisanenkampf. Steauas Bukarester Konkurrent Dinamo sowie dessen Namensvetter in Moskau, Zagreb, Ostberlin und Dresden (letztere "Dynamo" geschrieben) waren Dienststellen von Sicherheitsbehörden aller Art, D³zsa Budapest war mit der Polizei verbandelt. Spartak Moskau und Levski Spartak Sofia ließen den Ball für die Gewerkschaftsbewegung rollen.

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