Ein Beitrag zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit.
Stadtleben

Wiens blau-gelbe Botschaft

Die urbane Atmosphäre hat sich spürbar verändert. Friedensdemonstrationen und Solidaritätskundgebungen ziehen durch die Straßen, Fassadenanstrahlungen in den ukrainischen Nationalfarben bringen ein völlig neues Element in den öffentlichen Raum.

Wie andere Metropolen auch, ist Wien zum Spiegel der Weltgeschichte geworden. Russlands Invasion in die Ukraine hinterlässt markante Spuren im Bild der Stadt. Die urbane Atmosphäre hat sich spürbar verändert. Friedensdemonstrationen und Solidaritätskundgebungen ziehen durch die Straßen, Fassadenanstrahlungen in den ukrainischen Nationalfarben Blau-Gelb bringen ein völlig neues Element in den öffentlichen Raum. Es lässt innehalten und nachdenken, macht ehemals vertraute Gebäude zu nächtlichen Warnzeichen für den Kampf um Demokratie und europäische Werte. Oder vice versa für die Gräuel des Krieges, Unmenschlichkeit und unermessliches Leid.

Es sind die kulturellen und religiösen Zentren der Stadt, die nun zu Verkündern einer universellen Friedensbotschaft werden und ihre jeweils unterschiedlichen Funktionen diesem einen Ziel unterordnen. Von Burgtor, Museumsquartier und Stephansdom bis hin zum Belvedere 21 und dem Technischen Museum, sie alle kennen nur mehr eine Botschaft. Unmissverständlich wird klar, dass Friede über allem steht und erst unter seiner Obhut ein gutes und in jedem Sinne ertragreiches Großstadtleben möglich wird. Kunst- und Kulturinstitutionen leisteten von Beginn an einen wichtigen Beitrag zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit. Von der Fassade der Oper blinkt in blau-gelben Großbuchstaben unaufhörlich der Appell: STOP THAT WAR – PEACE. Der Tempel der Hochkultur hat sich in ein Anti-Kriegs-Mahnmal verwandelt. Immer deutlicher müssen wir erkennen: Aus der Nachkriegszeit, an die wir uns in Europa als Epochenbegriff gewöhnt haben, ist nun eine Zwischenkriegszeit geworden. Auch Mauern wurden blau-gelb eingefärbt, am Donaukanal etwa oder hinter dem sogenannten Russendenkmal am Schwarzenbergplatz. Eine simple und ob ihrer Kontrastwirkung besonders effiziente Protestform: Fortan kann das monumentale Denkmal mit der hoch aufragenden Soldatenfigur und der martialischen Säulenreihe nicht mehr ohne Verweis auf den aktuellen Krieg gelesen werden.



Beim Spaziergang durch die Stadt kommen die Emotionen hoch. Auf der Marienbrücke über den Donaukanal wehen blau-gelbe Bänder am namensgebenden Denkmal, das im Sockel die flehende Inschrift trägt: HEILIGE MARIA, BITTE FÜR UNS. Auch auf dem Hauptbahnhof ist die Atmosphäre verändert. Regelmäßig kommen Flüchtlinge an, der Bahnhofsalltag ist davon geprägt. Blau-gelbe Fahnen markieren Infospots und QR-Codes. Hilfsorganisationen bieten Übersetzungsdienste und Beratung an, versorgen die Ankommenden mit warmen Getränken und Essen, Hygieneartikeln, Spielzeug für die Kinder. Es sind vor allem Frauen und Kinder, die sich in die Bahnhofsitze fallen lassen, Angst und Ungewissheit in den Augen. Koffer und Taschen um sie herum. Man sieht, dass sie hastig gepackt werden mussten, und immer wieder auch Haustiere, herzzerreißend, kleine Hunde und Katzen, die keinesfalls zurückbleiben sollten.

In der Innenstadt ist die St.-Barbara-Kirche in der Postgasse zum turbulenten Informations- und Hilfszentrum geworden. Es ist historischer Boden, denn die seit 1784 bestehende Kirche war einst die erste Pfarre außerhalb der Ukraine. Das Altarbild mit der Heiligen Barbara soll einem Jugendporträt Maria Theresias nachempfunden sein.

Man spürt die tiefe innere Verbundenheit, die seit Langem besteht zwischen Wien und dem mythisch aufgeladenen Raum Galizien, zu dem auch ein Teil der heutigen Ukraine gehörte. Wenngleich man dies, worauf renommierte Intellektuelle zu Recht verweisen, nicht verklären sollte, und die Ukraine sich bislang nur allzu oft am Rande unserer europäischen Wahrnehmung befand.

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