Putin: Freier Handel „von Lissabon bis Wladiwostok“

Putin will freien Handel
Putin will freien Handel(c) REUTERS (OLEG POPOV)
  • Drucken

Wirtschaftspolitik. Russlands Ex-Präsident schlägt Schaffung einer Freihandelszone und Visafreiheit vor. Weiters wirbt Putin für die geplanten Pipelines North Stream und South Stream.

Wien/Mar. Wladimir Putin inszeniert sich gern als Visionär, der die Entwicklungen der russischen Machtsphäre weit über das Tagesgeschäft hinaus zu gestalten weiß. Jetzt präsentiert Russlands Ministerpräsident jedoch einen Plan, der bisherige Annäherungsversuche Moskaus an den Westen deutlich in den Schatten stellt.

In einem ausführlichen Gastbeitrag für die „Süddeutsche Zeitung“ schlägt Putin die Schaffung einer „Wirtschaftsgemeinschaft von Lissabon bis Wladiwostok“ vor. In Zukunft kämen auch eine „Freihandelszone, gar noch fortgeschrittenere wirtschaftliche Integrationsformen infrage“. So würde ein „gemeinsamer Kontinentalmarkt entstehen, dessen Kapazitäten Billionen von Euro stark wären“.

Der Zeitpunkt für den Vorstoß ist nicht zufällig: Putin absolviert gerade einen zweitägigen Besuch in Berlin. Am Mittwoch konnte Moskau einen wirtschaftspolitischen Erfolg verbuchen (siehe nebenstehenden Artikel).

Zugriff auf Technologien

Seiner Idee einer Wirtschaftsgemeinschaft lässt Putin in dem Artikel vier weitere Punkte folgen, die sich – überspitzt formuliert – als eine Erweiterung der EU bis an den Pazifik lesen lassen. Es sei erstens eine gemeinsame Industriepolitik nötig, die sich auf die „Zusammenballung der Technologie- und Ressourcenpotenziale Russlands und der EU stützen soll“.

Mit dem Einsatz europäischer Technologien in russischen Unternehmen könne man „eine neue Industrialisierungswelle über den europäischen Kontinent rollen lassen“. Der führende Politiker Russlands spricht in dem Zusammenhang von „strategischen Allianzen“ im Schiff-, Flugzeug- und Automobilbau, in den Weltraumtechnologien und bei der Atomenergie. Bedenken gegen den Vorschlag sucht Putin mit dem Hinweis zu entkräften, Markenzeichen wie „made in Germany“ seien behutsam zu behandeln und dürften nicht verloren gehen.

Werbetour für Pipelines

Weiters wirbt Putin für die geplanten Pipelines North Stream und South Stream, mit denen Transitländer wie die Ukraine umgangen werden sollen. So seien die Risken einer „verfallenen Infrastruktur“, von Energieknappheit und hohen Verbraucherpreisen zu vermeiden. Die Kritik, Russland setze seine Öl- und Gaslieferungen als politisches Druckmittel ein, habe „gar nichts mit der Wirklichkeit zu tun“.

Der dritte Punkt sieht eine Annäherung im Bereich der Forschung und Bildung vor. Russland werde weiterhin in europäische Forschungsprojekte investieren und möchte, dass der Austausch von Wissenschaftlern und Studenten zwischen Europa und Russland intensiviert wird. Es sei zu verhindern, schreibt Putin, dass nach den Produktionsstätten „nun auch Entwicklungsbüros unseren Kontinent verlassen“ – und lobt zugleich den Siemens-Konzern, der gerade in der Nähe von Moskau ein Kompetenzzentrum aufbaut.

Schließlich wiederholt Putin die Forderung, den Visumzwang zwischen Russland und der EU aufzuheben. Dies sei ein „ernsthaftes Hindernis für die Ausweitung der Geschäftsaktivitäten“.

Dagegen werde die Visafreiheit den gemeinsamen Kampf gegen „illegale Einwanderung, Drogenhandel, organisierte Kriminalität und Terrorismus“ stärken – auch wenn Putin gleichzeitig zugibt: „Die Aussichten hierfür sind aber noch trübe.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.