Muttertag

Hauptsache schön, Mama!

Ist es wirklich so schön, „alles zu geben als Mama“? Wie Werbung ein problematisches Frauenbild befördert.

Zur Autorin:

Mari Lang (geboren 1980) ist langjährige ORF-Moderatorin, Betreiberin des preisgekrönten feministischen Podcasts „Frauenfragen“ und Mutter zweier Töchter.

Wir leben in einer Welt, in der immer alles schön sein muss: das Wetter, die Kleidung, die Mütter. Ja, vor allem Mütter und Mutterschaft an sich müssen schön sein. Das ultimative Glück im Leben jeder Frau! Zu finden in Hollywood-Filmen, Kinderbüchern und in der Werbung. Aktuell gerade wieder auf Plakaten der Drogeriekette Bipa anlässlich des durchaus verzichtbaren Muttertages. Was Muttersein konkret bedeutet, steht dort sicherheitshalber auch gleich mit drauf: „Schön ist, alles zu geben als Mama.“

Dieser unschuldig wirkende, wahrscheinlich gut gemeinte Satz wird vom Foto einer hübschen, lächelnden Frau mit Baby im Arm begleitet. Die Text-Bild-Schere könnte kaum größer sein. Denn eine Mutter, die alles gibt, hat wohl eher nicht das Bedürfnis zu lächeln. Eine Mutter, die alles gibt, ist wahrscheinlich ausgebrannt und leer. So wie übrigens viele Mütter seit Beginn der Coronapandemie, die neben der Hauptverantwortlichkeit in puncto Familienorganisation plötzlich auch noch zu Kindergartenpädagoginnen, Putzhilfen und Freundinnen werden mussten und dabei rasch gemerkt haben, dass sich das alles nicht ausgeht. Zumindest nicht, wenn sie gesund und bei Kräften bleiben möchten.

Die völlige Selbstaufgabe von Müttern wird von den herrschenden Wertvorstellungen über Familien- und Geschlechterrollen aber offenbar verlangt. Nicht nur besagtes Werbeplakat deutet darauf hin. Denn wie sonst lässt es sich erklären, dass Care-Arbeit immer noch meist unbezahlt und zu einem Großteil von Frauen gemacht wird? Und dass die Einteilung in Erwerbsarbeit und andere Arbeit, sprich Frauenarbeit, Depressionen und Altersarmut zur Folge hat, die wir einfach so hinnehmen?

Gut, hin und wieder gibt es Applaus und zum Muttertag Keramikbasteleien und nette Plakate mit lächelnden Mamas. Doch die machen die Situation vieler Frauen mit Kindern nicht besser. Faire Bezahlung, funktionierende Lösungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder Führungspositionen in Teilzeit täten das hingegen schon. Und Partner, die in Karenz gehen (können) und die Hälfte der Familienarbeit übernehmen, statt zu Hause nur „ein bisschen mitzuhelfen“. Vielleicht würden Mütter dann sogar mehr lächeln und den Mamas auf Werbeplakaten ähnlicher sehen.

Im Mutterhimmel

Im Übrigen sehen Mütter nicht mal in den sozialen Netzwerken, die eigentlich das Potenzial hätten, die Realität abzubilden, wie echte Mütter aus. Stets perfekt gestylt schweben sie dort durch den Mutterhimmel und befeuern die sogenannten Mommy Wars mit unrealistischen Alltagsbildern. Hauptsache schön! Aber Augenringe, Babykotze und nie enden wollende Wäscheberge sind nun mal nicht schön. Dennoch sind sie Teil des Lebens.

Solang wir das weiterhin alles ausblenden, blenden wir auch die Chance aus, ein von alten Rollenbildern und Geschlechterstereotypen befreites Leben zu führen. Eines fernab der von der Werbeindustrie kreierten Idealwelt, die suggeriert, dass Erschöpfung und Armut Individualprobleme sind. Probleme von Frauen, die es halt einfach nicht auf die Reihe kriegen, weil sie sich nicht genug anstrengen und eben nicht alles geben.

Ja, es gibt viele schöne und glückliche Mütter. Aber genauso viele, die am Ende ihrer Kräfte sind und ständig unter Druck stehen. Plakate, die dazu auffordern, „alles zu geben“, verstärken dieses Gefühl nur noch. Wie wäre es, wenn wir Müttern stattdessen die Hände reichen und sie darin bestärken, dass das Beste, das sie tagtäglich geben, gut genug ist? Wäre das nicht echt schön?

E-Mails an: debatte@diepresse.comGastkommentare und Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2022)

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