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Zwischen Abgrund und Hölle: Wo die Bruckner-Beats pochen

Mit A-cappella-Musik zu Gast im Alten Dom zu Linz: der Tenebrae Choir
Mit A-cappella-Musik zu Gast im Alten Dom zu Linz: der Tenebrae Choir(c) Beigestellt
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Schmankerln. Mitreißende Chormusik, Kleinode der Liedkunst, Kammermusik und Clubbing: Geheimtipps im Programm des Brucknerfests.

„Seine Musik duftet nach himmlischen Rosen und stinkt nach höllischem Schwefel – noch etwas verbindender Weihrauch dazwischen und der Mystiker wäre fertig“: Heute schmunzeln wir darüber, wie Anton Bruckner und, in diesem Fall, sein phänomenales, einzigartiges Streichquintett F-Dur im Spiegel der zeitgenössischen Kritik dastand. Als „gemischte Reihenfolge musikalischer Hallucinationen, eine Apokalypse in vier Capiteln“. . .

Was damals (von Max Kalbeck) als Verriss gemeint war, dürfte in unserer Zeit viel eher als Attraktion gelten: Wie „entirisch“ muss ein Kammermusikwerk klingen, dem solche Eigenschaften zugeschrieben werden? Die Probe aufs Exempel kann das Brucknerfest-Publikum am 198. Geburtstag in Ansfelden machen, bei „Happy Birthday, Anton!“ am 4. September, mit dem casalQuartett und dem Bratschisten Nils Mönkemeyer als höchst willkommenem, unerlässlichem fünften Rad am Quintettwagen. Nach der Pause ist dann mitzuerleben, wie der fast vergessene, aber große Heinrich Kaminski inmitten des Ersten Weltkriegs mit Bruckner als Vorbild ein fis-Moll-Quintett schuf: Als „Offenbarung eines jungen Genies, durch die sich der Blick in neues Land öffnet“, wurde das Stück gefeiert – und kein Geringerer als Bruno Walter zählte zu den Gratulanten der umjubelten Uraufführung. Und so wie der Schauplatz, die sehenswerte Pfarrkirche Ansfelden, in der Bausubstanz diverse frühere Epochen mit einschließt, berufen sich Kaminski wie Bruckner nicht zuletzt auf den späten Beethoven.

Dieses Zusammenwirken von Zeiten und Stilen setzt sich exemplarisch am 18. September im Alten Dom zu Linz fort, wo der Tenebrae Choir ein erhebendes Programm darbietet. Das vor rund 20 Jahren von Nigel Short gegründete und geleitete britische Vokalensemble zählt zur internationalen Spitze dessen, was der A-cappella-Gesang zu bieten hat. Die Gäste aus London setzen Bruckners großartige Motetten mit wenig bekannten Glanzstücken späterer Epochen in Beziehung, komponiert von Kaminski und Paul Hindemith.

Und dann sind da, teilweise auch vom Organisten Johannes Zeinler vorgestellt, Werke besonderer spiritueller Kraft zu erleben: Arvo Pärts „Da pacem, Domine“, 2004 unter dem Eindruck der Terroropfer von Madrid geschrieben, wächst in Zeiten des Kriegs besondere Bedeutung zu. Nicht zu vergessen György Ligetis berühmtes, ungreifbar schwebendes „Lux aeterna“, für dessen Verwendung im Filmklassiker „2001: Odyssee im Weltraum“ der Regisseur Stanley Kubrick seinerzeit sogar eine Urheberrechtsverletzung riskiert hat. Ludwig Mittelhammer und Helmut Deutsch, das ist so etwas wie ein Treffen der Generationen zur höheren Ehre der Musik: Hier der junge, aufstrebende Münchner Bariton, dort der längst in aller Welt gefeierte und von den berühmtesten Stimmen unserer Zeit geliebte Pianist aus Wien, der sich nicht davor scheut, als „Liedbegleiter“ bezeichnet zu werden. Zusammen widmen sie sich am 20. September einem Kaleidoskop der Liedkunst, das Werke von Gustav Mahler bis Joseph Marx, Alexander Zemlinsky bis Egon Wellesz umfasst: Entdeckungen fürs Leben sind da nicht bloß möglich, sondern sogar zu erwarten.

Jenseits alles Erwartbaren begeben sich hingegen am 7. Oktober die „Bruckner-Beats“ in der Tabakfabrik/Kraftwerk: Eine auf Jules Verne und Bruckner bezogene elektroakustische Komposition von Pierre Henry weitet sich anschließend durch das Posthof-DJ-Team zum Clubbing – als neue, ganz im Hier und Jetzt verankerte Variante jener „musikalischen Hallucinationen“ von anno dazumal. 

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