Mein Samstag

Adler Horst mit Rüstung

Das Kind hat mich neulich darüber informiert, dass es einen Kredit aufgenommen hat und nun die Summe von 161.000 abzahlen muss. Und zwar in der mir zuvor unbekannten Währung Sternis, mit der in der Computerspielwelt von „Animal Crossing“ bezahlt wird.

Überhaupt ist das Leben auf der dortigen Insel hochinteressant: Wiewohl in den Tropen gelegen, schneit es gelegentlich, was aber den Orangen, die das Kind im Garten anbaut, nichts ausmacht. Überdies ist die Insel ein Archäologenparadies: Das Kind findet beim Spazierengehen ständig Fossilien, die es im Shop gegen Lebensmittel tauschen kann. (Es herrscht also parallel zur Sternis-Währung auch ein reger Tauschhandel.) Auch nach mehreren staunenden Stunden des Zuschauens erschließt sich mir der Sinn des Spiels nicht so recht, meistens latscht das „Animal Crossing“-Ich des Kindes über die Insel und sammelt Dinge ein (z.B. Äste). Überdies kann man (reale) Freundinnen digital auf seine Insel einladen, sofern sie auch „Animal Crossing“ spielen und online registriert sind. Das ist natürlich praktisch, auch für mich. Bei digitalen Freundinnenbesuchen erspare ich mir etwa das reale Jause-Richten.

Mit dem Kredit möchte das Kind nun sein Haus ausbauen, die anderen Bewohner der Trauminsel namens, nun, Trauminsel haben schon viel größere Häuser. Die anderen Bewohner – und hier erklärt sich der Name des Spiels teilweise – sind Tiere. (Fragen Sie mich nicht, wieso es „Crossing“ heißt. Ich denke dabei an Straßen, die man überquert, dies scheint auf der Insel, die extrem verkehrsberuhigt wirkt, kein Thema zu sein.) Zu den Bewohnern zählen der Löwe Rex sowie, ich mag es falsch verstanden haben, Zwillingsbären namens Schlepp und Nepp. Am unerklärlichsten ist mir der Adler Horst (wobei der Name gut ist), der als Einziger eine Ritterrüstung trägt. In voller Montur macht er Gymnastik oder kehrt mit einem Besen den Trauminselboden. „Wieso“, frage ich, „rennt der Adler mit einer Rüstung herum? Das ist total absurd.“ „Mama“, sagt das Kind kritisch, „jeder darf aussehen, wie er will.“ Und das ist, nicht nur im gerade laufenden Pride Month, natürlich eine schöne Botschaft.

E-Mails an:mirjam.marits@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2022)

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