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Branchentalk

Welche Hindernisse es noch zu beseitigen gilt

In den meisten Punkten waren sich die Diskutanten einig: Diversität und Inklusion bedeutet harte Arbeit, um die Zielvorgaben zu erreichen.
In den meisten Punkten waren sich die Diskutanten einig: Diversität und Inklusion bedeutet harte Arbeit, um die Zielvorgaben zu erreichen.(c) Günther Peroutka
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Schattenseite. Diversität und Inklusion scheitern in der Umsetzung häufig an fehlendem Feingefühl und Kompromissbereitschaft.

Häufig ist bei Diversitätsthemen der Wille zur Integration gegeben, aber die Maßnahmen zur Umsetzung sind nicht langfristig genug. Zum Beispiel nimmt man derzeit einen regelrechten Boom an Schwerpunktstagen für einzelne Diversitätsthemen wahr. Man denke an die Pride-Days. Sie führen dazu, dass sich Firmen auf Social Media mit Regenbogenfarben schmücken. Ein klares Bekenntnis zu einer weiterentwickelten, offenen Gesellschaft. Ohne Zweifel wichtig, um die Menschen zu sensibilisieren. „Die Herausforderung liegt darin, Aufmerksamkeit und Awareness aufrecht zu halten und einen kulturellen Wandel herbeizuführen, der letztlich die Nachhaltigkeit des Themas bringt“, sagte Günther Weberndorfer, Managing Director bei Accenture Österreich.

Hier sind einzelne Aktionstage zu wenig, um ein dahinterliegendes Gedankengut so weit in den Alltag zu integrieren, dass es zur Selbstverständlichkeit wird. Einen weiteren Stolperstein sahen die Diskutanten des „Presse“-Branchentalks zum Thema „Diversität und Inklusion“ bei der zu langsam vonstatten gehenden Entbürokratisierung. Vor allem bei der Einstellung von Menschen mit Behinderung, Mitarbeitern aus Nicht-EU-Ländern oder der Integration von Flüchtlingen. „Es dauert sehr lange, bis diese Personen ein Arbeitsvisum erhalten. Die Politik wäre hier gefordert, eine angepasste Gesetzgebung zu entwickeln und bürokratische Hürden abzubauen“, sagte Martina Weinlinger, Vorstandsmitglied bei ABB.

Großes Problem stellen auch Vorurteile dar. Sie bremsen die Inklusion. Etwa bei der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung. Das beginnt bei der Angst vor Kündigungsschutz bis hin zum Glauben, dass man Personen mit Handicap nicht kritisieren dürfe, wenn sie deren Arbeit nicht gut machen. „Es geht um das Entmystifizieren von Barrieren, die nicht vorhanden sind oder nicht der Wahrheit entsprechen“, sagte Weinlinger.

Tabuthemen angehen

Die gewünschten Frauenquoten werden sich nur realisieren lassen, wenn es mehr Frauen gibt, die sich für Technik interessieren. „Das wird sich nur ändern, wenn es gelingt, Mädchen schon frühzeitig für das Thema zu begeistern“, ist Weinlinger überzeugt. „Dazu muss man Tabus bei der Bildung und Ausbildung aufbrechen.“ Danach gibt es ohnehin noch weitere Stolpersteine für eine Frau auf der Karriereleiter. „Für eine Frau gibt es neben der Schwangerschaft noch einen weiteren speziellen Einschnitt, bei dem die Karriere auf dem Spiel steht: Wechseljahre“, sagte Anna Ganovszky, Senior Human Resources Partner bei der Wienerberger AG. „Es braucht eine Akzeptanz für diese Themen. Mit der Enttabuisierung schämen sich die Betroffenen nicht mehr, über ihre Sorgen offen zu sprechen.“ Günther Weberndorfer, Managing Director bei Accenture, ergänzte, dass es auch Prioritätenveränderungen zu beachten gilt. „Die Bedürfnisse der Menschen können sich im Laufe eines Lebens wandeln.“ Familiengründungen können zum Beispiel Prioritäten verschieben. Bei Accenture Österreich berücksichtigt man das mit einem Arbeitsvertrag-Konfigurator, bei dem sich Bedürfnisse wie etwa Reisen, Urlaub, Teilzeit usw. individuell anpassen lassen. „Auf vertraglicher Ebene schaffen wir dadurch maximale Flexibilität. Die praktische Umsetzung ist nochmals eine weitere Herausforderung“, sagte Weberndorfer.

Kompromisse finden

So sehr Internationalisierung die Offenheit fördert, wird es nie gelingen, es allen recht zu machen. Bei Wienerberger stellt Senior Human Resources Partner Anna Ganovszky zum Beispiel fest, dass die Fabriken in den einzelnen Ländern unterschiedliche Niveaus besitzen, die die Einbindung von weiblichen Fachkräften jeweils erleichtern oder erschweren. „Das beginnt bei scheinbar banalen Dingen, wie Toilettenanlagen. In den nördlichen Ländern sind gender-neutrale Toiletten Standard, in osteuropäischen Ländern hingegen gibt es häufig nur Männertoiletten in den Fabriken.“

Es gibt progressive und konservative Länder. Hier einen Kompromiss zu erzielen ist wichtig, der es ermöglicht, dass beide Seiten zufrieden sind, ohne jemanden zu übergehen. Progressive Länder gehen Diversitätsthemen deutlich schneller an. Wienerberger setzt bei seinen Standorten in Schweden auf zweisprachige Schichtbetriebe, damit das Zusammenarbeiten der unterschiedlichen Nationalitäten besser und sicherer funktioniert.

Gleichzeitig ist der komplette Kompromiss nicht zwingend der Weisheits letzter Schluss. Weberndorfer brachte ein bildhaftes Beispiel: „Als der Papst zum Kongress aller Religionen lud, stand der Assistent vor dem Problem, welches Gericht zum Abendessen kredenzt werden solle. Resultat des Kompromisses war eine ungewürzte Gemüsesuppe, aber ob das wirklich im Sinne der allgemeinen Zufriedenheit war, bleibt dahingestellt.“

Ziel muss es also sein, sich respektvoll zu begegnen und die beste Lösung herauszukristallisieren. „Der Purpose steht immer im Vordergrund und ist der Gradmesser der Inklusion“, sagte Ganovszky.

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